Serie „7 Erfolgsfaktoren für die Workforce Transformation“ Im regionalen Ökosystem der Workforce Transformation mitwirken
Sabine Beck, Ende 50 und Geschäftsführerin der mittelständischen Tochtergesellschaft eines französischen Konzerns in Süddeutschland, schaut auf das Handout des heutigen Workshops „Personalumbau mit dem Ökosystem-Ansatz“. Beim Durchblättern der Folien gleiten ihre Gedanken zurück in die Mitte der 1990er Jahre. In ihrem ersten Job nach dem Studium als Personalreferentin geriet sie direkt in den Strudel der damaligen Strukturkrise der deutschen Industrie. Unter extremen Zeitdruck musste sie einen umfangreichen Personalabbau vorbereiten und mit einer Transfergesellschaft umsetzen. Emotional war das damals eine große Herausforderung für alle Beteiligten, konzeptionell war es in der Rückschau betrachtet eigentlich relativ einfach zu gestalten.
Den Ökosystem-Ansatz als Gestaltungsfeld begreifen
Der aus der Biologie stammende Begriff des Ökosystems fand bereits in den 1990er Jahren Eingang in der ökonomischen Fachliteratur. Mit dem Siegeszug der Plattformökonomie Ende der 2000er Jahre fand der Ansatz ein breiteres Anwendungsfeld, wurde aber zu stark auf die Technologie ausgerichtet.
Seit einigen Jahren versucht die akademische Forschung in Kooperation mit Beratungsunternehmen das Konzept für den Bereich Workforce fruchtbar zu machen. Auf der einen Seite nutzen Großunternehmen den Ansatz, um die verschiedenen Segmente ihrer globalen Workforce - Festangestellte, Mitarbeitende von Partnerunternehmen, Freelancer und Gig Worker - besser zu steuern und mit ihrer Business Transformation optimal zu synchronisieren. Auf der anderen Seite arbeiten spezialisierte Berater und engagierte Personalverantwortliche daran, die Idee der Workforce Transformation mit dem Konzept des Ökosystems zu verbinden.
In der Vergangenheit war es für Unternehmen ausreichend, mit einer überschaubaren Anzahl von Partnern und Dienstleistern zusammenzuarbeiten, um die unterschiedlichen Herausforderungen in den verschiedenen Phasen des Konjunkturzyklus zu bewältigen.
Angesichts des Zangengriffs der drei Megatrends Digitalisierung, Demografie und Dekarbonisierung werden auch personalwirtschaftliche Projekte immer komplexer. Konkret bedeutet dies, dass die sehr unterschiedlichen Prozesse von Personalaufbau, -umbau und -abbau parallel ablaufen und gleichzeitig koordiniert werden müssen. Dies stellt das Management und HR vor enorme Herausforderungen. Während sich Großunternehmen aufgrund ihrer HR-Organisationsstärke, ihrer Budgetausstattung und ihrer langjährigen Partnernetzwerke besser auf diese Entwicklung einstellen können, stehen mittelständische Unternehmen unter großem Druck, hier neue Antworten zu finden.
Das regionale Umfeld als Transformationsverstärker neu entdecken
Gerade der industrielle Mittelstand, der häufig abseits der Ballungszentren angesiedelt ist, sieht sich mit großen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften konfrontiert. Hier werden bereits heute verschiedene Lösungsansätze erprobt, wie zum Beispiel Remote Work oder Nearshoring/Offshoring von IT-Jobs.
Die Potentiale neuer Formen regionaler Kooperationen zur Bewältigung chronischer Personalengpässe werden dagegen noch wenig genutzt.
Die Qualifizierung und Weiterentwicklung von Beschäftigten ist hier ein wichtiges Instrument, aber gerade mittelständische Unternehmen mit eher knappen HR-Ressourcen und Projektbudgets tun sich schwer, solche Programme im betrieblichen Alltag zu etablieren. Hier kann der Ökosystem-Ansatz unterstützen, wenn es regional gelingt, die Zusammenarbeit zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen, Beratern und Weiterbildungsanbietern sowie Institutionen und Organisationen wie der Agentur für Arbeit, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Gewerkschaft auf eine neue Ebene mit mehr Dynamik und Interaktion zu heben.
In einem Ökosystem gibt es verschiedene Rollen, wie Initiator, Orchestrator, Akteur, Lieferant oder Kunde, die je nach Kontext von Unternehmen und Institutionen eingenommen werden.
So kann ein mittelständisches Industrieunternehmen der Initiator eines regionalen Weiterbildungsnetzwerks mit dem Fokus auf IT-Fachkräfte sein, das gleichzeitig als Akteur eigene Ressourcen an Ausbildern, Trainern, Equipment und Räumlichkeiten einbringt und als Kunde Dienstleistungen für die eigenen Mitarbeitenden einkauft. Im Unterschied zu klassischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen und Partnernetzwerken erfordert die Etablierung eines regionalen Ökosystems zur Unterstützung der eigenen Transformation ein neues Mindset von Offenheit und Flexibilität sowie den Mut zum Experiment.
Der Start eines Ökosystems in Form eines Konzeptionsworkshops mit gut etablierten Methoden wie Design Thinking ist einfach zu organisieren. Der Enthusiasmus des Initiators überträgt sich schnell auf die anderen Teilnehmenden und auf dem bunten Handout hat man bereits das Gefühl, das Ökosystem zum sprichwörtlichen Fliegen gebracht zu haben. Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Rollen im Ökosystem und die schrittweise Erarbeitung von Strukturen für Wertströme, die allen Beteiligten einen wirtschaftlichen Erfolg ermöglichen, machen die Umsetzung eines regionalen Ökosystems zu einer ambitionierten Herausforderung, die neben dem operativen Tagesgeschäft des eigenen Unternehmens zusätzlich bewältigt werden muss.
Diese Aussicht wirkt auf viele Entscheidungsträger in Management und HR zunächst abschreckend, so dass sich viele erst zunächst ganz auf die Transformation des eigenen Unternehmens konzentrieren wollen. Doch hier liegt ein weit verbreiteter Denkfehler vor.
Zwar muss jedes Unternehmen seinen Weg der Transformation bestimmen und umsetzen, aber gerade die Mobilisierung externer Ressourcen ist für die Bewältigung erfolgsentscheidend. Hier kann ein regionales Ökosystem seine Stärke ausspielen, wenn alle Beteiligten Mut, Kraft und Ausdauer investieren.
Zur Vertiefung:
- Altman, E. J., Kiron, D., Schwartz, J., Jones, R.: Workforce Ecosystems - Reaching Strategic Goals with People, Partners, and Technologies, 2023.
- Lewrick, M., Business Ökosystem Design. Ein Paradigmenwechsel in der Gestaltung von Geschäftsmodellen und Wachstum, 2021.
„7 Erfolgsfaktoren für die Workforce Transformation“
Bislang erschienen bei PERSONALintern:
Teil 1: Transformationsstrategie und Personalumbau gemeinsam denken
Teil 2: Die Zukunftsressource Mitarbeitende planen statt Personalkosten steuern
Teil 3: Skill-Analysen als Chance für Management, Führungskräfte und Beschäftigte nutzen
Teil 4: Jede und jeden Einzelnen auf seine Art in die lernende Arbeitswelt mitnehmen
Über die Person
Christian Summa ist Geschäftsführer und Partner bei von Rundstedt. Als Chief Consulting Officer leitet er deutschlandweit die Kundenbetreuung in Restrukturierungs- sowie Personalumbau- und -abbauprojekten. Seit 2020 teilt er sich die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft Rundstedt Transfer GmbH mit Sophia von Rundstedt. Als Anbieter von Transfergesellschaften und ungeförderten Outplacement-Projekten verfügt von Rundstedt über langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit... mehr
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