Serie „7 Erfolgsfaktoren für die Workforce Transformation“ (Ausgabe 24/23) Die Zukunftsressource Mitarbeitende planen statt Personalkosten steuern

Gerade in mittelständischen Unternehmen wird die Bedeutung einer strategischen Personalplanung für den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen für den Geschäftserfolg der nächsten drei bis fünf Jahre unterschätzt. Im Zuge von Restrukturierungen wird der Faktor Personal oft nur als Stellschraube zur schnellen Kostenreduzierung gesehen und nicht als entscheidende Zukunftsressource. Das folgende Szenario ist zwar fiktiv. Es spiegelt jedoch die Realität in vielen Unternehmen wider.

drei Mitarbeiter am Laptop (Bild: picture alliance / Westend61 | Uwe Umstätter)

Die strategische Personalplanung sollte von Unternehmen nicht vernachlässigt werden. (Bild: picture alliance / Westend61 | Uwe Umstätter)

Der rote Laserpointer wandert auf der Landkarte Mitteleuropas schnurgerade von der südhessischen Kleinstadt bis in die Ostslowakei. Das Management eines mittelständischen
Elektrotechnikunternehmens folgt aufmerksam der geschliffenen Präsentation des erfahrenen Strategieberaters. Seine Empfehlung klingt eindeutig: „Die margenschwächeren Produktionslinien werden verlagert und am deutschen Standort wird ausschließlich in die Entwicklung neuer Produkte und in höherwertige Serviceleistungen investiert. Den Personalüberhang wird man angesichts der guten Arbeitsmarktlage in der Region kostenoptimiert und ohne große Reibungsverluste realisieren können“. Die noch junge Geschäftsführerin schaut fragend zu ihrer Personalleiterin, die sich folgendermaßen zu Wort meldet: „Bevor wir voreilig über externe Perspektiven für unsere Mitarbeitenden in der Produktion reden, sollten wir uns den Personalbestand über alle Bereiche kritisch anschauen. Mit anderen Worten: Wir brauchen ein Projekt zur Strategischen Personalplanung“.

Im Gegensatz zur operativen Personalplanung, die jedem Personal-Verantwortlichen vom Mittelständler bis zum Großkonzern vertraut ist, führt die Strategische Personalplanung (SPP) in den meisten Unternehmen immer noch ein Schattendasein.

Während in den meisten Großunternehmen schon seit geraumer Zeit mit SPP-Simulationen und -Analysen gearbeitet wird, wird im industriellen Mittelstand (300 – 20.000 Mitarbeitende) die große Bedeutung und die dringende Notwendigkeit dieses Ansatzes zur Erkennung von personalseitigen Risiken und Chancen für die Geschäftsentwicklung immer noch unterschätzt.

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Mit der Gleichzeitigkeit von Personalengpässen und -überhängen umgehen

Der Warnruf der demografischen Herausforderung ist bereits in den meisten Unternehmen angekommen, ohne dass allerdings bereits belastbare Konzepte für den Umgang damit entwickelt worden wären. Häufig werden die aktuellen Auswirkungen an der Oberfläche wahrgenommen, weil die Bewerberzahlen deutlich zurückgegangen sind und Stellen trotz attraktiver Arbeitsbedingungen über längere Zeit unbesetzt bleiben. Nur wenige erkennen, dass dies nur die Vorboten einer demografischen Welle sind, die schon in wenigen Jahren die meisten Unternehmen in Deutschland mit voller Wucht treffen wird.

Gleichzeitig erleben wir eine exponentiell beschleunigte Entwicklung neuer Technologien, die bis 2030 die Arbeitswelt und damit auch die Personalnachfrage der Unternehmen dramatisch verändern werden.

Was kann hier also die Strategische Personalplanung tatsächlich leisten? Um Illusionen vorzubeugen: SPP ist nicht der Zauberstab, um im Personalbereich so weitermachen zu können wie in den vergangenen Jahrzehnten. Dennoch hat dieser Ansatz drei große Stärken, die HR und Management für den Unternehmenserfolg von morgen und übermorgen nutzen müssen:

  1. Die Risiken von Personalengpässen und -überhängen werden heute erkannt, indem die in den Personalmanagementsystemen standardmäßig verfügbaren Zahlen als fragwürdige Annahmen kritisch hinterfragt werden (planmäßiger Renteneintritt vs. Frühverrentung, erhöhter Krankenstand durch Alterung, erhöhte Fluktuation durch Sogwirkung des regionalen Arbeitsmarktes etc.)
     
  2. Statt sich auf einzelne Kennzahlen zu konzentrieren (lineares Denken), wird eine integrierte Analyse von Faktoren wie der Altersstruktur der heutigen Belegschaft, längerfristigen Marktentwicklungen, globalen Technologietrends und der eigenen Innovationskraft und Produktivität vorgenommen (vernetztes Denken).
     
  3. Durch das ausdifferenzierte Angebot an SPP-Beratungsleistungen kann eigenes HR-Know-how im Unternehmen optimal mit externem Input zu überschaubaren Kosten und mit echter Ergebnisorientierung kombiniert werden. Nicht die perfekte Datenbasis entscheidet über den Projekterfolg, sondern der pragmatische Geist der Zusammenarbeit und die Umsetzung der abgeleiteten Maßnahmen.

Ein SPP-Projekt sollte jedoch nie isoliert eingesetzt werden, sondern es dient als unverzichtbare Vorbereitung von Personalmaßnahmen. Anders als in der Vergangenheit mit dem regelmäßigen Auf und Ab von Aufschwung und Krise wird es in Zukunft nicht mehr ausreichen, auf kurzfristige Maßnahmen wie zum Beispiel Freiwilligenprogramme in der Krise oder Verdoppelung des Recruiting-Budgets im Aufschwung zurückzugreifen.

Auch das am besten ausgestattete SPP-Projekt kann die Folgen von Demografie und Technologie nicht nivellieren. Aber die Wucht von Negativszenarien kann eingedämmt werden.

So werden heute Wettbewerbsvorteile vorbereitet, die in drei oder fünf Jahren als Geschäftserfolge realisiert werden. Strategische Personalplanung wird damit zur zentralen Aufgabe des Managements, das bei der operativen Umsetzung von HR und externen Partnern optimal unterstützt wird. Für viele Unternehmenslenker ist diese Perspektive noch ungewohnt, da die Begriffe SPP und Personalengpass in ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre oder Ingenieurwissenschaften keine Rolle spielten. Es bedarf daher eines überzeugenden Einstiegs in SPP-Projekte.

Mut zum Experiment statt Hoffnung auf perfekt beschriebene Prognosen

Viele Unternehmen haben sich an große Projektrahmen bei der Einführung von Software gewöhnt und übertragen dies leider allzu häufig auf SPP-Projekte. Um das Tandem Management und HR zu stärken, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Zu Beginn wird im Rahmen eines Discovery Days mit schlankem Budget die SPP-Methode am Beispiel von fünf bis sieben für das Unternehmen relevante Jobfamilien demonstriert. In einem gemeinsamen Workshop mit HR und Führungskräften werden die wichtigsten strategischen Treiber sowie Personalrisiken identifiziert und zusammenfassend visualisiert. Darauf aufbauend wird ein Grobkonzept für die nächsten Prozessschritte vorgeschlagen. Mit diesem fundierten Wissen sind Management und HR in der Lage, gemeinsam ein optimales Maßnahmen-Set mit den verfügbaren Budget- und Personalressourcen abzugleichen. Zugleich hat der Discovery Day auch die wichtige Funktion, Vertrauen zwischen Beratungspartner und Kundenunternehmen aufzubauen: Wenn hier nicht beide Seiten den „Match“ spüren, wird es auch im fortgeschrittenen Projektverlauf schwierig werden.

 

Über die Person

Thomas Faust ist Senior Strategic WF Planning Expert bei von Rundstedt. Thomas Faust hat sich in seiner internationalen Beraterlaufbahn auf die Themen Zukunft der Arbeit, strategisches Workforce Management und Restrukturierung spezialisiert. Sein besonderes Interesse gilt der Analyse und Bewertung des Human Capital Managements. Seine Branchenerfahrungen reichen vom Finanzsektor über Energiewirtschaft, Maschinen- und Anlagenbau, Logistik bis hin zum Handel. Bei von Rundstedt entwickelt er... mehr

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