Serie „7 Erfolgsfaktoren für die Workforce Transformation“ Jede und jeden Einzelnen auf seine Art in die lernende Arbeitswelt mitnehmen

Betriebliche Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen sind als Schlagworte sehr populär geworden. Allerdings zeigen die Abrufzahlen der Fördermittel der Agentur für Arbeit und die Bilanzen der Weiterbildungsträger, dass wir von einer „Weiterbildungsrepublik“ (Hubertus Heil) noch sehr weit entfernt sind. Als hemmende Faktoren werden häufig die Integration von Weiterbildung in den betrieblichen Alltag angesichts von Zeitverdichtung und Arbeitskräftemangel, die Zufriedenheit der meisten Beschäftigten mit ihrem heutigen Bildungs- und Wissensstand sowie der Angebotsdschungel von Qualifizierungsformaten und -anbietern genannt.

Lernen (Bild: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke)

Zu lernen und neues Wissen aufzubauen geht weit über die Schule hinaus und ist auch im Beruf wichtig. (Bild: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke)

Uwe Kanther, Betriebsratsmitglied in einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen, versucht aufmerksam dem Vortrag der Geschäftsführerin eines Weiterbildungsanbieters zu folgen. Doch die junge Frau mit der markanten Brille und der strengen Stimme erinnert ihn an seine erste Grundschullehrerin. Seine Gedanken fliegen um Jahrzehnte zurück: „Uwe, ich muss es dir immer wieder sagen. Du übst zu wenig. Ein Blick in dein Heft reicht, um zu sehen, dass du diese Klasse wiederholen musst …“. Seine Erinnerungsreise wird jäh unterbrochen, als er seinen Namen hört: „Herr Kanther, ich sehe Ihnen an, dass Ihnen das Wort Lernen Schmerzen bereitet. Als Qualifizierungspartner sind wir mit dem Ballast längst vergangener Schuljahre bestens vertraut. Deshalb setzt unser Konzept auf einen radikal neuen Lernbegriff …“.

Das Erbe der Schulzeit wird häufig als Barriere für die berufliche Weiterbildung genannt. Es ist auch nicht verwunderlich, dass Begriffe wie „Lebenslanges Lernen“ bei den meisten Beschäftigten keine Anmeldewellen für Weiterbildungsangebote der Arbeitgeber auslösen.

In den meisten Unternehmen erleben die Mitarbeitenden Arbeiten und Lernen immer noch als getrennte Welten.

Zwar beeindruckt die Höhe der Weiterbildungsbudgets vieler Arbeitgeber, aber ihre Verteilung und Verwendung erfolgt immer noch in Strukturen und Prozessen, die sich über Jahrzehnte eingespielt haben. Deshalb werden pauschale Budgeterhöhungen in den Unternehmen und ein verstärktes Marketing für die zweifellos wichtigen Förderangebote der Bundesagentur für Arbeit nicht ausreichen, um die Qualifizierungsbereitschaft der Beschäftigten in größerem Umfang zu erhöhen.

Arbeiten und Lernen als produktive Einheit etablieren

Viel entscheidender als Budgets und Fördermittel wird es sein, Arbeiten und Lernen als neue produktive Einheit im betrieblichen Alltag zu etablieren. Als Imperativ klingt das einfach und griffig, aber jedes Unternehmen muss hier gemeinsam mit den Beschäftigten seinen Weg finden. Wenn es einen Betriebsrat gibt, sollte er von Anfang an als kritischer, oft auch anstrengender Mitgestalter einbezogen werden.

Lernen kostet nicht nur Budget, sondern vor allem Zeit. Diese Ressource wird in den nächsten Jahren aufgrund des demografisch bedingten Arbeitskräftemangels noch knapper und im betrieblichen Alltag noch umkämpfter werden.

Deshalb gilt es, bestehende Arbeitsstrukturen und -prozesse auf den harten Prüfstand der Wertschöpfung zu stellen, um Ressourcen für betriebliches Lernen als Investition für die Wertschöpfung von Morgen und Übermorgen freizusetzen. Hier braucht es ein klares Commitment des Managements, die das Thema Weiterbildung nicht mehr wie in der Vergangenheit an HR delegiert, sondern auf seine TOP3-Agenda setzt.

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Das 3L-Konzept aus Lernen, Leisten und Loslassen

Die Geschwindigkeit und Tiefe der Business Transformation mag je nach Branche und Unternehmensgröße unterschiedlich sein, aber letztlich steht jedes Unternehmen in den nächsten Jahren vor einer tiefgreifenden Veränderung. Eine Welle des Neuen und Unbekannten kommt auf jeden Einzelnen in den Unternehmen zu, sei es in der Geschäftsführung, in der Führungsverantwortung oder an seinem langjährigen Arbeitsplatz. Mindset, Knowhow und Tools verändern sich deutlich schneller als in der Vergangenheit. Um erfolgreich zu sein, muss Altes und damit auch Vertrautes aufgegeben werden.

Dies erzeugt Widerstände und Ängste auf allen Ebenen. Sie sollten daher im Unternehmen offen und konkret angesprochen werden, bevor große Weiterbildungsprogramme gestartet werden. Hier kann gerade der Betriebsrat eine entscheidende Rolle spielen, der zugleich die Stimmung, Sorgen und Wünsche der Beschäftigten aufnehmen kann.

Unsere Arbeitswelt ist immer noch von linearem Denken geprägt, das sich an KPIs und Workflows orientiert. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass vernetztes Denken notwendig ist, um in dynamischen Märkten erfolgreich neue Technologien zu integrieren. Hier kann der 3L-Ansatz „Lernen, Leisten und Loslassen“ einen wichtigen Beitrag leisten, indem er die Schematisierung von Lernen und Arbeiten aufhebt und damit gleichzeitig eine neue Lernkultur etabliert, die im Leben von Unternehmen und Beschäftigten verankert ist.

Individualisierte Lernreisen mit Veränderungsfokus

Betriebliche Weiterbildung wird weit über den traditionellen Transfer von Wissen und Fähigkeiten hinausgehen. Jede Lernreise bringt auch Veränderungen für jeden Einzelnen mit sich, auch wenn diese häufig nicht von Anfang an sichtbar sind.

So wichtig Budget, Zeit und Methodik für den Lernerfolg sind, so unverzichtbar sind die Ermutigung zum Start des Lernmarathons und die unterstützende Begleitung auf der Lernreise. Hier sollten sich HR, Führungskraft und Betriebsrat als starkes Trio aufstellen, das das Silo-Denken längst hinter sich gelassen hat.

In vielen Unternehmen herrscht immer noch eine Kategorisierung nach Gruppen wie Ungelernte/Angelernte, Fachkräfte, Akademiker vor, die das Setting von Weiterbildungsprogrammen maßgeblich beeinflusst. Wenn die Qualifizierungsoffensive nachhaltige Erfolge für Unternehmen und Belegschaft bringen soll, muss hier grundlegend umgedacht werden. Selbst Beschäftigte mit vergleichbarem Alter und Ausbildungsniveau benötigen eine individualisierte Lernreise.

Hierfür haben wir bereits heute die notwendigen Werkzeuge:

  • Ermittlung des digitalen Mindsets und des Lerntyps, die jeder Beschäftigte zu Beginn durchläuft
  • Virtuelle Plattformen, die sich nahtlos in die betriebliche IT integrieren lassen und von den Beschäftigten im 24/7-Modus genutzt werden können
  • Förderprogramme der Agentur für Arbeit in Kooperation mit lokalen Partnern, um Beschäftigten ohne Berufsabschluss den Erwerb von Teilqualifikationen und Berufsabschlüssen zu ermöglichen

Lernen muss in unterschiedlichen Formaten in den betrieblichen Alltag integriert werden. Micro-Learning, Kurzzeit-Weiterbildungsprogramme, berufsbegleitende Qualifizierungen (on the job) und umfangreiche Weiterbildungen (off the job) haben dabei ihre eigenen wichtigen Teilaufgaben zu erfüllen. Die Koordination dieser sehr unterschiedlichen Formate ist zweifellos eine anspruchsvolle Aufgabe für den HR-Bereich. Die meisten Weiterbildungspartner bieten hier bereits passgenaue Unterstützung und Beratung an.

Das 3L-Konzept sorgt auch dafür, dass die Lernfortschritte zeitnah im betrieblichen Alltag umgesetzt werden, sodass die Mitarbeitenden die Wirksamkeit ihres Engagements und damit auch den Sinn ihrer investierten Freizeit erfahren. Dieses Ausprobieren von neuem Wissen und neuen Kompetenzen wird zweifellos die bisherige Betriebsorganisation unter Druck setzen und vor allem den Führungskräften mehr abverlangen. Aber gerade dieses Aufbrechen des Bisherigen und Gewohnten durch lernendes Arbeiten ist eine entscheidende Voraussetzung für den zukünftigen Geschäftserfolg.

Lernreise (Grafik: von Rundstedt)

Individualisierte Lernreisen mit Veränderungsfokus – Jede Lernreise bringt auch Veränderung mit sich. (zum Vergrößern klicken)

 

Über die Person

Julia Siems begleitet seit rund 20 Jahren Menschen bei der beruflichen Neuorientierung und beim Lifelong Learning. Als Head of People Development, Karriereberaterin und Partnerin bei der Outplacementberatung von Rundstedt verfügt sie über umfangreiche Expertise und Erfahrung in den Bereichen Talentmanagement, Karriere- und Organisationsentwicklung und der beruflichen Weiterbildung. Sie hat einen B.Sc. in Psychologie und ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen Skill- und Talententfaltung,... mehr

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