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Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Doppelt gemoppelt wirkt nicht besser: Das personalwirtschaftliche Unwort des Jahres
‚Klimaterroristen‘ ist das Unwort des Jahres 2022. Das ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist das personalwirtschaftliche Unwort des Jahres. Für mich ist es „Employer Branding“. Ich bin mir bewusst, dass meine Meinung nicht populär ist. Schließlich gibt es kaum einen angelsächsischen Begriff im personalwirtschaftlichen Umfeld, der in den letzten Jahren einen größeren Hype hatte. Meine Begründung ist ganz einfach:
Das Ergebnis von Employer Branding ist die Arbeitgebermarke (engl. Employer Brand), also die vom Unternehmen gezielt gestaltete Art und Weise, wie ein Unternehmen im Arbeitsmarkt als Arbeitgeber wahrgenommen wird.
Es gibt aber bereits eine Marke des Arbeitgebers, die genau dieses leistet: die Corporate Brand, also die Unternehmensmarke. Employer Branding ist also nichts anderes als ein Teilaspekt des Corporate Branding. Eine Unternehmensmarke beinhaltet die Arbeitgebermarke.
Denn die Unternehmensmarke wendet sich bereits an alle Zielgruppen des Unternehmens, also an die Stakeholder wie: Kunden, Lieferanten, Presse, Gläubiger, Gesellschaft, Anteilseigner (Shareholder) und eben auch an Bewerber und Mitarbeiter.
Eine eigene Marke auch für Lieferanten und Aktionäre?
Wenn man nun für bestimmte Stakeholder-Gruppen jeweils eine eigene Marke kreieren würde, dann müsste man konsequenterweise auch eine Lieferantenmarke entwickeln. Aber kein Unternehmen käme auf die Idee, eine Marke für die Kommunikation mit seinen Lieferanten oder seinen Aktionären einzurichten, obwohl diese Zielgruppen andere Anforderungen als die Zielgruppe der Kunden haben. Nun könnte man einwenden, dass die Unternehmensmarke den Anforderungen der Bewerber und Mitarbeiter schon lange „nicht mehr hinterherkommt“.
Aber genau diese – zunächst durchaus richtige Überlegung – macht es ja nur noch schlimmer, denn dann würde die Unternehmensmarke von der Arbeitgebermarke überholt werden. Und genau das hieße, dass sich beide Marken voneinander unterscheiden. Und dann hätte das Unternehmen wirklich ein Problem ...
Nein, das Corporate Branding ist auch gleichzeitig für die Corporate Identity verantwortlich und die erlaubt keinen unterschiedlichen, sondern nur einen integrierten, einheitlichen Auftritt.
Wenn also das Corporate Branding den Anforderungen der Bewerber und Mitarbeiter – also der Zielgruppe des Personalmanagements – nicht mehr genüge leistet, dann muss das Corporate Branding verbessert werden und kein – im Zweifel – zweiter Markenaufritt inszeniert werden. Ein leistungsfähiges Corporate Branding, also eine gut geführte Unternehmensmarke, beinhaltet immer alle Merkmale einer starken Arbeitgebermarke.
Risiko: Die Arbeitgebermarkte verwässert die Unternehmensmarke
Als ich meine ersten Überlegungen zum personalwirtschaftlichen Unwort auf LinkedIn einem größeren Leserkreis – ich erhielt über 5.000 Impressions – offenbarte, zeigten die entsprechenden Kommentare, dass es sich bei meinen Ausführungen keinesfalls um eine einzelne Meinung, sondern um eine fundierte und nachvollzierbare Überlegung handelt.
So stellte Frank Krupka in der Kommentarleiste fest:
Eine eigenständige Arbeitgebermarke, die neben einer Unternehmensmarke etabliert wird, muss sich zwangsläufig von dieser unterscheiden und schwächt damit die Unternehmensmarke. Die grundlegende Theorie der identitätsbasierten Markenführung spricht ohnehin nicht von zwei Marken, sondern von einer eindeutigen Markenidentität und einem individuell relevanten symbolischen und funktionalen Nutzen.
Und Robert Ebert-Weglehner kommt zur folgenden Einschätzung:
Eine gute Corporate Brand braucht neben sich kein Employer Branding. Schon gar keines, dass sich unterscheidet, denn dann ist offensichtlich eines falsch. … Für die meisten Probleme muss heute erst mal ein Begriff gefunden werden – wenn möglich Denglish. Und dann wird es auch ein Geschäft, weniger für das Unternehmen, aber z.B. für Werbeagenturen und (Personal)Beratungen.
Auf denselben Gaul umgesattelt
Daran möchte ich gerne anknüpfen, denn aus meiner Sicht sind es zwei Treiber, die diesen Hype um das Employer Branding entfacht haben:
Zum einen sind es die Werbe- und Kommunikationsagenturen, die gemerkt haben, dass mit ihrem ureigensten Thema, nämlich dem Corporate Branding, längst kein „frisches“ Geld mehr zu verdienen war. Also stieg man von einem Gaul ab, der sich nicht mehr schneller reiten ließ. Stattdessen sattelte man ein neues Pferd in der Hoffnung, hiermit zu neuen Ufern zu kommen. Doch in Wirklichkeit war es derselbe Gaul.
Zum anderen sind es viele Personalberatungen, die neben dem puren Hiring ein Thema gefunden haben, das ein bisschen nach „Beratung“ roch und damit zusätzliche Honorare versprach, ja vielleicht sogar ein neues Geschäftsmodell in Aussicht stellte. Ein solch thematischer Ausflug ist ja auch mal ganz nett – aber eben (für den Kunden) nicht zielführend (weil doppelt gemoppelt!).
Fazit: Ein gutes Unternehmensbranding braucht kein Employer Branding, das ihm an die Seite gestellt wird und sich im Zweifel von ihm unterscheidet. Ein gutes Unternehmensbranding ist automatisch auch immer ein Employer Branding. Man sollte die Dinge also nicht komplizierter machen als sie sind. Schließlich ist das Unternehmen zugleich auch immer der Arbeitgeber.
Über die Person
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.
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