Personalthema Transformation als Paartanz: Taktgeber HR
Gute Führung in der Transformation ist wie ein Paartanz: Es braucht ein Gespür für Rhythmus und Empathie, für die Gefühle des anderen, um in eine synchrone Schrittfolge (und etwas Anmut) zu kommen. Viele Führungskräfte bewegen sich zwar mit Schwung, aber außerhalb des Taktes.
Ein Beispiel: In einem mittelständischen produzierenden Betrieb (700 Mitarbeitende) trat vor drei Monaten der neue Geschäftsführer seinen Dienst an. Nach Ablauf der 100 Tage, die er zurückhaltend und beobachtend verbracht hatte, schritt er zur Tat: Er entließ den Produktions- und den Vertriebsleiter. Die Gestaltung der Nachfolge: Unklar. Die Fortführung des unter seinem Vorgänger mühsam vorangebrachten Strategieprozesses: Ebenso unklar. Da das Unternehmen mehr „customer-driven“ sein müsse, startete er zugleich und sehr kurzfristig eine aggressive Vertriebskampagne zu einem Neuprodukt im Außendienst.
Wir treten uns auf die Füße
Manche Führungskräfte sehen zwar die Menschen, aber sie spüren sie nicht. Deshalb treten sie den Mitarbeitenden häufig auf die Füße und sehen sie nur als Funktionsträger. Wer führen möchte, muss dagegen verstehen lernen, dass es um eine Mischung aus Klarheit und Freiheit geht. Dabei ist zu beachten, dass die Synchronizität von Schritten leicht aus dem Takt kommen kann. Zum Beispiel wenn Angst entsteht. In dem beschriebenen Unternehmen agiert die Belegschaft aktuell wie das Kaninchen vor der Schlange: Erstarrung, am liebsten in einer Höhle verschwinden.
Vier Zumutungen
Folgende vier Zumutungen bringen die Transformation aus dem Takt:
- Viele Führungskräfte unterschätzen die Sorgen, die mit Veränderungen einhergehen: Werde ich unter den neuen Bedingungen noch performen? Werde ich auch in Zukunft noch meinen Ort in der Organisation haben – samt Status und Einkommen? Andere wiederum wittern ihre Chance und treten in einen feindseligen Konkurrenzkampf, der Kooperation zerstört. Das eine lähmt, das andere führt zu K(r)ampf statt Tanz.
- Häufige Strategiewechsel werden als hektische Ausfallschritte vollzogen. Berechenbarkeit und Kalkulierbarkeit sind Fehlanzeige. Alles ist prioritär, alles sofort. Manche Führungskräfte bringen gleichzeitig die Anforderungen nicht auf den Punkt und begründen sie nur unzureichend. Sie tanzen Freestyle.
- Aus Sicht von Mitarbeitenden entsteht eine Unklarheit im Hinblick auf das, was erwünscht ist. Welche Form der Anstrengung lohnt sich? Vordergründig wird Theater gespielt, nach dem Motto „es ist immer noch besser JA zu sagen und dann nur vordergründig etwas zu tun, als Kritik zu üben. Scheinkooperation. Nichts ist schlimmer als ein lustloser Tanz.
- Manche Mitarbeitenden haben das Gefühl, sie sollen nicht verführt, sondern gewürgt werden. Immer mehr administrative Aufwände ohne Wertschöpfung. Die Frage „was tun wir nicht mehr?“ ist tabu. Stattdessen kommen die Anforderungen der Transformation on top.
Vier mutige Schritte:
- Protesttänze: Protesttänze sind choreografierte oder spontane Tänze, bei denen Forderungen und Botschaften dargestellt werden. Z.B. die Botschaft der Rebellion: Wie wäre es, wenn die Belegschaft oder die Führungskräfte zu „Corporate Rebels“ werden, die sich kollektiv an den Geschäftsführer (und wenn das nichts hilft, an die Holding) wenden? Mit der Botschaft: „Sehr gerne arbeiten wir mit Ihnen, Herr Geschäftsführer, zusammen, aber so nicht!“ HR könnte vermitteln und zeigen, dass der Protest von Werten getragen ist und es gilt, zu einem gemeinsamen Rhythmus zu kommen.
- Gruppenperformance: Eine Gruppenperformance ermöglicht das Zusammenspiel von individuellen Talenten und Fähigkeiten, um ein beeindruckendes und gemeinschaftliches Ergebnis zu schaffen. Dabei ergänzen sich die Menschen gegenseitig: In unserem Unternehmen z. B. der Innendienst, Außendienst und der Export. Oder Entwicklung und Produktion. Oder das Marketing mit dem Vertrieb. Die HR-Abteilung und die Belegschaft. Zum Beispiel bei der Bearbeitung einer Vertriebskampagne. Was wird dem Geschäftsführer und der Holding dargeboten? Leistung und Erfolg. HR fördert hierbei mit ihrem Methoden-Know-how eine Kooperationskultur und Stärkenorientierung.
- Minimalismus: Minimalismus meint eine choreografische Herangehensweise, bei der die Fokussierung auf das Wesentliche angestrebt wird. Klare Linien und Formen werden betont. Alles Überflüssige wird weggelassen. Im Vertrieb heißt das, mit klarem Zielfokus zu agieren, diszipliniert zu sein, bedarfsorientiert auf den Punkt zu kommen. HR unterstützt mit passgenauen Vertriebstrainings.
- Tanzregie: Die Tanzregie ist für die Gestaltung und Organisation der tänzerischen Elemente zuständig, und zwar so, dass die Vision des Tanzstücks und die Inszenierung umgesetzt werden. Sie trägt dazu bei, dass die Tanzenden zum Leben erweckt werden und sie ihr Potenzial entfalten können. Diese Funktion kann auch als Doppelrolle gestaltet werden: Die Geschäftsführung definiert, was gespielt wird, welche Bewegungen und Schritte dafür erforderlich sind, welche Botschaften und Emotionen als attraktives Produkt oder Dienstleistung nach außen kommen sollen. HR bietet Methoden für die Feinabstimmung der Tänzer, unterstützt bei den Proben, hilft beim Bühnenbild (Leitlinien) und fördert Kreativität und Diversität. Aber vor allem achtet HR auf den Takt („Transformationsmanagement“).
HR als Taktgeber
HR ist Motor und Impulsgeber für Performance zugleich, also für die erforderlichen Erfolgspraktiken im Unternehmen. Dies betrifft die Unterstützung der strategischen Planung, die Mitarbeiterentwicklung, -bindung und Motivation. Als Taktgeber ist HR zentraler Partner für das Management. Als Experte für‘s Menschliche gibt HR aber auch Raum für das Unscharfe, das sich zwischen Zerstörung des alten und dem harten Ringen um das Neue ergibt.
Über die Personen
Dr. Tobias Heisig ist geschäftsführender Gesellschafter bei der Circle2 GmbH (www.circle2.de) sowie Experte für Leadership, Change und Vertrieb in Tübingen.
Dr. Alexander Wittwer ist geschäftsführender Gesellschafter sowie Berater und Coach bei der Circle2 GmbH (www.circle2.de) und Experte für Leadership, Change und Vertrieb in Tübingen.
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