Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Porsche ist cool, Ikea nett und Aldi fährt Passat

Angesichts der Vielzahl von Arbeitgeber-Rankings, die man schon als inflationär bezeichnen möchte, drängt sich unserem Kolumnisten Prof. Dirk Lippold die Frage auf, ob es einen Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und Arbeitgeber-Reputation einerseits und der Qualität des Personalmanagements andererseits gibt. Wo und wie Arbeitgeber heute punkten können, macht er an den Wertschöpfungsketten Personalbeschaffung und Personalbetreuung deutlich.

Nicht nur als Autohersteller, sondern auch als Arbeitgeber gilt Porsche als innovativ und cool. (Bild: picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Um für den „War for Talents“ gerüstet zu sein, gab es für das Personalmanagement lange Zeit fast nichts, was nicht auch für die Personalbeschaffung eingesetzt wurde: Ob Tage der offenen Tür oder Rekrutierungsmessen, ob Sonderveranstaltungen an Hochschulen, ob bedruckte Pizzaschachteln oder übergroße Transparente, ob Internetcafes oder virtuelle Jobmessen, ob Career Camps in den Alpen oder Segelturns in der Ostsee – für das Personalmarketing wurden alle werblichen Register, die man aus dem Absatzmarketing kennt, gezogen.

Klassische Anreizsysteme verlieren an Bedeutung

Doch die Zeiten haben sich – vor allem auch angesichts des digitalen Wandels – geändert. Heute muss auf das Konto Personalmarketing mit anderer Währung eingezahlt werden. Ein Beispiel: Bei zögerlichen Kandidaten, die auch mit anderen Arbeitgebern liebäugeln, wird man klugerweise auf Werte hinweisen, die tatsächlich im Unternehmen gelebt werden. So gilt Porsche als innovativ und cool. Ikea hat den Wert „Kollegialität“ besetzt und ist damit ganz einfach „nett“. Unternehmen, die solche Werte offensichtlich nicht vorweisen können, kompensieren ein weniger attraktives Corporate Branding, indem sie schicke Firmenwagen zur Verfügung stellen. Bei den „Digital Natives“ verfangen solche „Goodies“ allerdings immer weniger.

Klassische Anreizsysteme, wie Firmenwagen und Statussymbole, verlieren bei der digital geprägten Generation zunehmend an Wert.

Die Bindung bei ihnen besteht nicht mehr zum Unternehmen und seinen „äußerlichen“ Werten, sondern zu interessanten Projekten und zu mitreißenden Führungspersönlichkeiten, zu Nachhaltigkeit und zu Verantwortungsbewusstsein – das zieht Bewerber an.

Somit stellt sich die Frage, womit heutzutage ein leistungsfähiges Personalmarketing „punkten“ kann.

Zwei Ziele hat das Personalmanagement

Eigentlich sind es „nur“ zwei Ziele, die das Personalmanagement verfolgen muss:

  • Erstens muss es dafür sorgen, dass das Unternehmen durch eine entsprechende Attraktivitätswirkung auf dem Arbeitsmarkt bedarfsgerechte Mitarbeiter gewinnt. Dies ist das Ziel der HR-Wertschöpfungskette „Personalbeschaffung“.
  • Zweitens müssen durch mitarbeitergerechte und effiziente Gestaltung der Arbeitsbedingungen wertvolle Ressourcen an das Unternehmen gebunden werden. Damit ist das Ziel der Wertschöpfungskette „Personalbetreuung“ angesprochen.

Werden beide Ziele erfüllt, wird auch die personale Wertschöpfung optimiert.

Schritt für Schritt durch die Personalmarketing-Gleichung

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein Personalkonzept, das den personalen Wertschöpfungsprozess schrittweise in seine wichtigsten Teilprozesse zerlegt und damit zugleich die Grundlage für eine Optimierung der Personalbeschaffung und der Personalbetreuung schafft. Einen entsprechenden Handlungsrahmen dazu bietet die zweigeteilte Personalmarketing-Gleichung, die genau diese beiden Zielsetzungen widerspiegelt (siehe Grafik). Analysiert man anhand der Grafik die beiden HR-Wertschöpfungsketten ,Personalbeschaffung‘ und ,Personalbetreuung‘ mit ihren einzelnen Prozessphasen, lässt sich sehr gut feststellen, welche Prozessschritte von besonderer Bedeutung für ein effektives Personalmarketing sind.

Personalmarketing-Gleichung

Abb.: Die zweigeteilte Personalmarketing-Gleichung

Beginnen wir mit den Prozessphasen Segmentierung, Positionierung, Signalisierung und Kommunikation.

Absurder Bewerbermarkt

Angesichts eines absurden Bewerbermarkts, bei dem unsere Hochschulabsolventen in den wirtschaftswissenschaftlichen Fächern teilweise bis zu 50 Bewerbungen verschicken müssen, um zu einem Vorstellungstermin eingeladen zu werden, sind diese Prozessphasen nur noch dann erfolgskritisch für personalsuchende Unternehmen, wenn sie auf der Suche nach den absoluten High Flyern – also den High Potentials – und nach IT-Fachexperten sind. Ansonsten gilt hier lediglich der Tipp, dass die Suche nach den Universalgenies häufig reine Zeitverschwendung ist.

Statt den (Tunnel-)Blick auf die Zeugnisnote (mit der Eins vor dem Komma) zu richten, ist es wesentlich sinnvoller, die doppelte Anzahl von Bewerbungsgesprächen zu führen als ursprünglich geplant, denn erst in solchen Gesprächen lässt sich die Persönlichkeit des Bewerbers erkennen. Und noch eines: Mit der Durchsicht der Bewerbungsunterlagen sollte man sich nicht zu viel Zeit lassen. Zu einem guten Personalmarketing zählt eine zeitnahe Kommunikation mit dem Bewerber. Schlampiges Bewerbermanagement spricht sich unter den Kandidaten sehr schnell rum und gibt Negativpunkte auf dem Personalmarketing-Konto.

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Vorstellungsgespräche nicht delegieren

Damit sind wir auch schon in der Phase der Personalauswahl und -integration. In der Art und Weise, wie man solche Gespräche führt, kann man ebenfalls punkten.

In einem Bewerbungsgespräch gilt es, nicht zum dritten Mal über irgendwelche Noten zu diskutieren, sondern tief in die Persönlichkeit des Bewerbers „einzutauchen“.

Allerdings nur dann, wenn solche Vorstellungsgespräche nicht an Dritte delegiert (Outsourcing), sondern von den Personalverantwortlichen selbst geführt werden.

Ganz besonders wichtig ist dann das Onboarding, das von der Geschäftsleitung und dem Personalmanagement begleitet werden sollte. Die neuen Mitarbeiter erfahren dadurch eine besondere Anerkennung, werden in ihrer Auswahlentscheidung bestärkt, können die kognitive Dissonanz abbauen und sind für die weitere Arbeitsphase motiviert. Es vermittelt Kontakte über die Grenzen der eigenen Abteilung hinaus und fördert ein besseres Verständnis der Zusammenhänge von Personen und Prozessen im Unternehmen. So können bereits frühzeitig über Abteilungsgrenzen hinweg Netzwerke gebildet werden. Und das Beste: Die Fluktuationsrate wird gesenkt.

Wechsel der Zielgruppe

Der zweite Teil der Personalmarketing-Gleichung – also die Wertschöpfungskette ‚Personalbetreuung‘ – hat nicht mehr die Bewerber, sondern die Mitarbeiter als Zielgruppe. Hier liegt übrigens das größte Potenzial für den Aufbau eines leistungsfähigen Personalmarketing; schließlich ist jeder einzelne Mitarbeiter Botschafter seines Unternehmens.

Lohn- und Gehaltssystem als Hygienefaktor

Im Vordergrund steht zunächst ein faires und transparentes Anreiz- und Vergütungsmodell. Die Personalvergütung ist so etwas wie der Hygienefaktor eines Unternehmens. Wenn es von den Mitarbeitern nicht als gerecht empfunden wird, hat das Management ein Problem, das ihm mindestens einmal im Jahr auf die Füße fällt. Die „faire Vergütung im Vergleich zu Kollegen“ zählt zu den Top-Treibern der Mitarbeiterbindung (engl. Retention) und ist zweifellos ein entscheidender Erfolgsfaktor des Personalmarketings.

Führungsqualität und Unternehmenserfolg

Den stärksten Einfluss auf die Wertschöpfungskette Personalbetreuung hat sicherlich die Personalführung. Neben den typischen Führungskompetenzen wie Ergebnisorientierung und Überzeugungskraft sind es vor allem zwei Schlüsselkompetenzen, die immer mehr in den Fokus rücken:

  • Hohe Integrität und Ehrlichkeit
  • Inspirations- und Motivationskompetenz

Führungskräfte, die hohe Integrität und Ehrlichkeit zeigen, verfügen über eine Kongruenz in Selbst- und Fremdwahrnehmung und wirken deshalb authentisch und glaubwürdig. Sie gehen mit gutem Beispiel voran und leben die Werte des Unternehmens. Führungskräfte mit dieser Kompetenz stehen zu ihren Versprechen und Zusagen und schaffen dadurch eine Ver­trauenskultur.

Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen inspirieren und motivieren, verstehen, dass menschliches Verhalten ganz entscheidend von Emotionen geprägt ist. Die Inspirationskompetenz ist eng verknüpft mit der Vorbildfunktion und der Bereitschaft Veränderungen pro-aktiv mitzugestalten und die Initiative zu ergreifen.

Mit einer Führungsmannschaft, die diese Schlüsselkompetenzen auszeichnet, zahlt ein Unternehmen also am stärksten auf das Personalmarketing-Konto ein.

Gefragt sind also Führungskräfte, die Persönlichkeit mit Charakter und Begeisterung verbinden und keine Karrieristen.

Schließlich noch ein letzter Aspekt, mit der man punkten kann: die Trennungskultur.

Die hohe Schule der Trennungskultur

In der Tat zählt die Entlassung von Mitarbeitern – aus welchem Grunde auch immer – zu den heikelsten Managementaufgaben. Doch: Entlassungen gehören zum Führungsgeschäft dazu – genauso wie Einstellungen. Die Frage ist allerdings, wie diese Aufgabe anzugehen ist. Wer seine Führungsfunktion ernst nimmt und sich und vor allem dem Image des Unternehmens nicht schaden will, muss sich persönlich mit den Betroffenen einlassen – so schwer es einem auch fällt, denn Entlassungsgespräche gehen unter die Haut.

Im Rahmen von Entlassungen erleiden beide Seiten, also sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, in aller Regel materielle und ideelle Schäden. So kann mit der Entlassung eines Mitarbeiters wertvolles Know-how verloren gehen, welches bei einem Wiederanstieg des Personalbedarfs durch aufwendige Beschaffungs- und Entwicklungsmaßnahmen neu erworben werden muss. Auch kann ein unfair geführter Freistellungsprozess zu einer nicht unbeachtlichen Rufschädigung für den Arbeitgeber führen. Trennungen müssen professionell und effizient, aber auch menschlich und fair gestaltet werden. Geschieht dies nicht, so hat es fatale Auswirkungen auf das Corporate Branding.

Das Buch zum Beitrag:
D. Lippold: Modernes Personalmanagement. Personalmarketing im digitalen Wandel, 4. Aufl., Berlin/Boston 2023 (erscheint am 21.08.2023)

 

Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

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