Personalthema Die fünf besten Personalmarketing-Ideen der letzten Jahre

Personalmarketing-Ideen können die Welt nicht verändern. Sie können aber die beiden HR-Wertschöpfungsketten ‚Personalbeschaffung‘ und ‚Personalbetreuung‘ um ein Vielfaches effektiver gestalten – Ideen, für deren Umsetzung man nicht unbedingt besonders viel Geld in die Hand nehmen muss, die aber aufgrund ihrer Kreativität und Durchschlagskraft eine besondere Wirkung haben.

Personalauswahl (Bild: picture alliance / Zoonar | Andrii Yalanskyi)

Den passenden Kandidaten für einen Job zu finden, ist nicht immer so einfach. Hier können die Tipps von Prof. Dr. Lippold helfen. (Bild: picture alliance / Zoonar | Andrii Yalanskyi)

Wohlgemerkt, er handelt sich im Folgenden nicht um ein Ranking, das durch eine Befragung oder durch die Hinzunahme besonderer Kriterien entstanden ist. Vielmehr ist es meine rein persönliche Rangfolge der besten fünf Personalmarketing-Ideen der letzten Jahre. Beginnen wir gleich mit dem ersten Schritt der Personalbeschaffungskette – der Personalsuche. 

1. Ausgangspunkt jeder Personalsuche sind nicht offene Stellen, sondern Assignments.

Die Personalsuche wird in sehr vielen Fällen mit einer falschen Voraussetzung begonnen – nämlich der Stellenbeschreibung (engl. Job Description). Dahinter verbirgt sich die Frage: Welcher Kandidat passt am besten zu der offenen Stelle? Angesichts der wirtschaftlichen Dynamik innovativer Märkte – und das gilt ja wohl für nahezu alle Unternehmen – bleibt auf mittlere Sicht kaum eine Stelle unverändert, so dass viele Unternehmen ohnehin nicht nachkommen, ihre Stellenbeschreibungen ständig auf dem neuesten Stand zu halten.

Die Frage muss also lauten: Welche Persönlichkeit passt am besten zu unseren zukünftigen Anforderungen?

Es ist also ratsam, von Assignments und nicht von Stellen zu sprechen. Stellen sind starr, unbeweglich und statisch. Stellenbeschreibungen sind dementsprechend überflüssig wie ein Kropf. Wichtig ist dagegen das Anforderungsprofil (engl. Job Specification), das als Sollprofil der gesuchten Qualifikation besonders auch zur bewerbergerechten Segmentierung des Arbeitsmarktes dient.

2. Nicht die Note (Master, Bachelor, Abitur) ist die Eintrittskarte zum Vorstellungsgespräch, sondern das Außergewöhnliche einer Bewerbung.

Natürlich sind (Abschluss-)Noten nicht unwichtig, sie aber als erstes und häufig auch als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch zu missbrauchen, ist kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche Bestleistungen, zwei Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar über den zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der „Eins vor dem Komma“. 

Persönlichkeit kann man nur bedingt lernen, Sprachen oder Mathematik sehr wohl.

3. Bei Einstellungen auf High Potentials verzichten.

Es ist sicherlich legitim, dass jedes Unternehmen nur die Besten, also die sogenannten High Potentials einstellen möchte. Doch wer sind die Besten? Und vor allem: Wer sind die Besten für das jeweilige Unternehmen? Und schließlich: Wozu braucht man High Potentials? Heinrich Wottawa vergleicht die High Potentials mit den Condottieri, den italienischen Söldnerführern des späten Mittelalters. Diese wechselten oft die Seiten für bessere Bezahlung und dies nicht nur vor, sondern sogar mitten in der Schlacht. Aufgrund ihres Einflusses, ihrer Macht und sicherlich auch aufgrund ihres Könnens begannen sie, ihren Arbeitgebern die Bedingungen zu diktieren – waren aber dennoch enorm begehrt und in den Augen der jeweiligen Fürsten unverzichtbar. Doch was ist besser für das Unternehmen? Ein loyaler, begeisterter Mitarbeiter mit gutem Sachverstand oder ein High Potential, der ob seiner geringen emotionalen Bindung ständig mit den Hufen scharrt und dem das nächste attraktive Angebot eines Headhunters herzlich willkommen ist.

4. Bei Bewerbungsgesprächen keine Sachkompetenz abfragen, sondern stattdessen tief in die Persönlichkeit des Bewerbers eintauchen.

Das Einstellungsgespräch lässt sich mit einem Eisberg vergleichen. Bestimmte Eigenschaften sind offensichtlich und liegen über der Wasseroberfläche. Die Mehrzahl der Eigenschaften liegt aber unterhalb der Oberfläche. Die offensichtlichen Eigenschaften wie Ausbildung, Noten, Erfahrung und Wissen gehen aus den Bewerbungsunterlagen hervor und sollten daher nicht nochmals abgefragt werden.

Wichtiger als Sachkenntnisse sind in diesem Gespräch jene Eigenschaften, die das Unternehmen erst später zu spüren bekommt.

Dazu zählen Einstellungen, Werte, Motivation, Verhaltensmuster, Sensibilitäten oder Loyalität. Erst bei diesen Merkmalen entscheidet sich, ob die (spätere) Führungskraft einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird (siehe Abbildung).

Eisberg Personalmarketing

5. Das Budget von der Personalentwicklung hin zur Personalauswahl verlagern.

Seit Jahren stehen Führungskräfteentwicklung und Talentmanagement ganz oben auf der Agenda der Personalmanager. Die Frage ist nur, ob die damit verbundenen Investitionen in Zeit und Geld für die Führungs- und Führungsnachwuchsentwicklung auch dort richtig angesiedelt sind. Angesichts der Tatsache, dass sich die Personalentwicklung ohnehin mehr zur Organisationsentwicklung verlagern muss, ist doch wesentlich sinnvoller, einen Teil des Personalentwicklungsbudgets in einen effektiveren Personalauswahlprozess zu investieren, anstatt in spätere, oft mühsame Personalentwicklungsmaßnahmen mit Reparaturcharakter. Die logische Folge ist daher: Einen Teil der Personalentwicklungsgelder in den Personalauswahlprozess umschichten.

Vertiefende Informationen:
D. Lippold: Modernes Personalmanagement. Personalmarketing im digitalen Wandel, 4. Aufl., Berlin/Boston 2023 (erscheint im Juli)

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Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

Kommentare (1):

  1. thomas riegel am 13.07.2023
    High Potentials sind keineswegs zwangsläufig weniger loyal. Können aber sehr wohl entscheidende Unterschiede liefern.
    Es braucht allerdings gute Führungskräfte und HR Verantwortliche, um HighPots zu managen.
    :-)

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