Für eine gesunde Arbeitswelt – Kolumne von Dr. Anke Müller-Peters Betriebliche Gesundheitsförderung: Früh erkannt ist Darmkrebs heilbar

Heute hat sich unsere Kolumnistin Dr. Anke Müller-Peters ein schwieriges und unangenehmes Thema ausgesucht. Sie schreibt über Darmkrebs und freut sich, wenn Sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen für dieses wichtige Thema. Denn Früherkennung kann Leben retten und für Arbeitgeber gibt es niedrigschwellige Möglichkeiten einen Beitrag zur Vorsorge zu leisten.

Arzt begrüßt Patientin (Bild: picture alliance / Monkey Business 2/Shotshop | Monkey Business 2)

Krebsvorsorge kann Leben retten, doch wird zu wenig in Anspruch genommen. (Bild: picture alliance / Monkey Business 2/Shotshop | Monkey Business 2)

Die schlechte Nachricht zuerst: Jedes Jahr erkranken in Deutschland circa 60.000 Menschen an Darmkrebs – 25.000 sterben. Nun die gute Nachricht: Früh erkannt, sind die Heilungschancen bei diesem Krebs sehr gut.

Laut Robert-Koch-Institut wird die Diagnose Darm­krebs im Laufe des Lebens bei einer von 19 Frauen und einem von 15 Männern gestellt. Die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter, wird durch eine ungünstige Ernährung (viel Fleisch und Fett, wenig Ballaststoffe) begünstigt und hat auch eine starke genetische Komponente.

Es gibt zwei Möglichkeiten der Vorsorge:

  • Der Königsweg ist die Darmspiegelung. Nach einer kurzzeitigen Betäubung wird der Darm mit einer kleinen Kamera genau untersucht. Polypen, die Vorstufen von bösartigen Tumoren sein können, werden direkt entfernt. Wenn weiterer Therapiebedarf besteht, kann gezielt gehandelt werden. Die Untersuchung wird in der Regel ambulant vorgenommen und dauert circa 20 Minuten. 
  • Die niederschwellige Methode ist der Stuhltest. Dabei wird eine Stuhlprobe auf nichtsichtbares Blut untersucht. Die Stuhlprobenentnahme kann in Ruhe zuhause erfolgen, die Probe wird anschließend im Labor analysiert. Sofern unsichtbares Blut entdeckt wird, muss die Ursache mittels Darmspiegelung geklärt werden. Ist die Probe unauffällig, sollte eine erneute Untersuchung nach einem Jahr stattfinden.

Die Ausgangslage ist klar, die Reaktion des Gesundheitssystems folgerichtig: Alle Krankenkassen bezahlen Darmkrebsvorsorgen ab einem bestimmten Alter, alle Krankenkassen klären ihre Versicherten über die Risiken auf, Hausärzte und -ärztinnen nehmen ihre beratende Rolle ernst. Allerdings zeigt eine Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, dass die Angebote nur zögerlich in Anspruch genommen werden: 23 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer zwischen 50 und 54 Jahren machen den Stuhltest. Ungefähr 2,5 Prozent der Anspruchsberechtigten entscheiden sich für eine Darmspiegelung. Komisch eigentlich, denn in einer repräsentativen Umfrage der AOK geben 94 Prozent der Befragten an, dass sie die Untersuchungen zur Krebs-Früherkennung sinnvoll finden.

Diese Diskrepanz zwischen Einstellung („Krebsvorsorge ist sinnvoll“) und Verhalten („Ich gehe zur Krebsvorsorge“) ist ein sozialpsychologisch gut untersuchtes Phänomen. Also bediene ich mich heute mal aus dem sozialpsychologischen Setzkasten, um ein paar Anregungen zu geben, wie Einstellungen in Verhalten umgesetzt werden könnte. 

1. Was machen die anderen

Unser Verhalten wird nicht nur von unseren eigenen Einstellungen gesteuert, sondern auch von dem Verhalten, dass wir bei anderen beobachten. Manchmal brauchen wir also ein Vorbild oder eine soziale Situation, um vernünftige Einstellungen in Verhalten umzusetzen. Aber sprechen Sie im Freundeskreis über Ihre Darmkrebsvorsorge? Eher nicht, das ist kein schönes Thema für Dinnerpartys. Die Orientierung an dem, was andere tun, hilft im privaten Alltag also nicht, um die Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz zu überwinden.

2. Nudging

Der berühmte Schubs (nudge) ist häufig notwendig, damit aus dem hedonistischen Homer Simpson der vernünftige Sheldon Cooper (der hochbegabte Nerd aus der Sitcom „The Big Bang Theory“) wird. Der Nobelpreisträger Richard Thaler hat die Idee des Nudgings formuliert. Der Gedanke ist einfach: Menschen handeln dann vernünftig, wenn Entscheidungssituationen so strukturiert sind, dass das „richtige“ Verhalten das naheliegende ist.

3. Erstmal ein kleiner Schritt

Der Königsweg und damit die verlässlichste Form der Darmkrebsvorsorge ist die Darmspiegelung. Puh, das ist ein ziemlich großer Schritt, schon allein die Vorstellung verstört viele Menschen – mich übrigens auch ein bisschen. Man weiß, man müsste sich eigentlich mal kümmern. Das „Eigentlich“ wird aber leider nicht verhaltensrelevant. Ganz stabil ist der Befund, dass es uns einfacher fällt, in eine Richtung zu gehen, wenn wir erstmal einen kleinen Schritt machen. Eine Stuhlprobe auf unsichtbares Blut zu untersuchen, wäre dieser kleine Schritt.

Die beschriebenen Ursachen dafür, dass die positive Haltung zur Gesundheitsvorsorge nicht zu einem entsprechenden Verhalten wird, ist die ideale Ausgangslage für wirksame betriebliche Gesundheitsvorsorge. Betriebe, die an ihre Beschäftigten Testkits für Stuhltests austeilen, bedienen sich aller drei genannten Strategien.

  1. Die Tatsache, dass die anderen, die Kollegen und Kolleginnen und Vorgesetzten, das Angebot annehmen, schafft die soziale Situation, die zum Mitmachen motiviert.
  2. Die Entscheidungssituation ist einfach – das Vorsorgeangebot kommt zu mir, ohne dass ich mich aktiv kümmere.
  3. Der Stuhltest ist der kleine Schritt zuerst, der dann den nächsten Schritt begünstigt.

Liebe Personalverantwortliche: Wenn Sie das nächste Mal darüber beraten, wie Sie sich als fürsorgliche Arbeitgeber positionieren, wie Sie die Gesundheit Ihres Teams erhalten, wie Sie Menschen an Ihr Unternehmen binden – dann denken Sie mal über die Ausgabe von Testkits zur Darmkrebsvorsorge nach. Das kostet mit allem Drum und Dran (Testmaterial, Labor, Befund) etwa so viel wie zwei Mittagessen in der Kantine – keine große Investition, die Leben retten kann.

Weitere Informationen zur Darmkrebsvorsorge im Rahmen des betrieblichen Gesundheitswesens finden Sie hier.

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Über die Person

Dr. Anke Müller-Peters ist Geschäftsführende Gesellschafterin des arbeitsmedizinischen Dienstes SMARTmedSolutions mit Sitz in Köln und Berlin. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln sowie Geschäftsführerin mehrerer Dienstleistungsunternehmen im Bereich Personal und Marktforschung, sowie Dozentin für Wirtschaft und Psychologie an verschiedenen Hochschulen. Ihr Ziel sind gute Lösungen für eine gesunde Arbeitswelt, in der Menschen gerne arbeiten.

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