Corporate Learning „Weiterbildung kostet, Recruiting aber auch“
Ein beliebter Vorsatz für das neue Jahr ist bei vielen Menschen, etwas für die eigene Karriere zu tun. In der Regel verzeichnen Weiterbildungsanbieter deshalb im Januar gute Buchungszahlen. Können Sie das für die Haufe Akademie bestätigen? Und: Haben Sie sich selbst einen Bildungsauftrag für 2024 gegeben?
Christian Friedrich: Unser Fokus liegt auf dem B2B-Markt, weshalb sich die guten Vorsätze, die sich viele im Privaten vornehmen, nicht auf unser Geschäft auswirken. Wir beobachten zwar auch in den Monaten Dezember und Januar so etwas wie einen Peak bei den Buchungen. Der hat allerdings weniger mit Neujahrseuphorie, sondern eher mit unternehmensinternen Planungen bei unseren Kunden zu tun. Die Umsätze verteilen sich in der Regel über das gesamte Jahr.
Ich persönlich habe unheimlich viel Spaß daran, permanent meinen Horizont zu erweitern. Dafür formuliere ich für mich aber keine expliziten Jahresziele und lerne gerne auch mit einem Buch in der Hand. Tatsächlich mache ich gerade eine Weiterbildung beim Massachusetts Institute of Technology (MIT), bei der es um Plattform-Ökonomie und strategisch relevante Tech-Themen geht. Besonders spannend: Unter den Teilnehmenden sind viele Regionen der Welt vertreten, sodass man etwa die asiatische, europäische, US-amerikanische und arabische Perspektive miteinander vergleichen kann.
Bleiben wir bei der internationalen Perspektive. Wo steht Deutschland beim Thema Weiterbildung?
Christian Friedrich: Der Digital Competitiveness Index misst die Fähigkeit und Bereitschaft von Volkswirtschaften, digitale Technologien für den wirtschaftlichen und sozialen Wandel zu übernehmen und zu erforschen. Wenn ich mir nun allein das im Digital Competitiveness Index nur mäßige Abschneiden von Deutschland im globalen Vergleich anschaue, bekommt Weiterbildung für mich eine volkswirtschaftliche und somit auch politische Dimension. Ohne eine Blaupause parat zu haben, bin ich überzeugt: Wir brauchen ein besseres Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft. Nur auf dieser Basis können wir unser Land zukunftsfähig gestalten und als Wirtschaftsstandort erhalten.
Bezogen auf unsere Branche und Weiterbildungsstrategien in Unternehmen ist meine Einschätzung, dass der DACH-Raum und insbesondere Deutschland im europäischen Vergleich nicht unbedingt der progressivste Markt ist.
Es fängt mit der Frage an: Was ist Weiterbildung? In Ländern wie den Benelux-Staaten ist beispielsweise das kollaborative Lernen bereits verbreiteter und tiefer in den Organisationskulturen verankert als hierzulande. Auch die technologische Unterstützung ist vielfach weiter entwickelt, die Unternehmen sind digital reifer. Nicht pauschal, aber tendenziell. Allerdings hat sich in Deutschland seit der Corona-Pandemie einiges bewegt.
Inwiefern?
Christian Friedrich: Corona hat uns wachgerüttelt, weil deutlich wurde, dass viele Dinge nicht mehr funktionierten. Wir standen als Haufe Akademie auch vor der Herausforderung, eine sechsstellige Zahl von Leuten pro Jahr nicht mehr primär vor Ort, sondern in digitalen Kanälen zu qualifizieren. Wir hatten allerdings einen Vorteil, weil wir auch vor Corona bereits hybride und komplett digitale Angebote schon sehr gut beherrschten. Viele Marktbegleiter, die nicht entsprechend aufgestellt waren, haben die Umstellung damals nicht geschafft. Die digitalen Formate sind von den Kunden insgesamt gut angenommen worden. Da ist ein Push drin, der bis heute anhält. Der Markt hat dazugelernt, was die digitale Aufbereitung und Vermittlung von Lerninhalten betrifft, etwa bezogen auf Interaktivität und Usability.
Unternehmen in Deutschland stehen vor großen Transformationsaufgaben. Das Stichwort Digitalisierung haben Sie genannt, Dekarbonisierung, Demografie und andere kommen hinzu. Gleichzeitig haben wir eine unsichere weltpolitische Lage und eher schlechte Konjunkturprognosen. Inwieweit treibt Sie die Sorge um, dass der Reflex greift, in schwierigen Zeiten den Rotstift bei der Weiterbildung anzusetzen?
Christian Friedrich: Klassischerweise ist die Sorge berechtigt. Das haben wir auch während der Corona-Pandemie erlebt. Die ersten Kosten, die dann eingespart werden, sind Kaffee, Brötchen und Bildung.
Und ja, wir sehen bei all den Unsicherheiten im Markt aktuell nicht die allerhöchste Investitionsbereitschaft.
Wobei ich den Eindruck habe, dass Unternehmen unterscheiden, ob es sich um eine fachliche Qualifizierung handelt, die ziemlich spitz ist, oder ob es um eine strategische Grundlagenentscheidung geht, bei der beispielsweise in die Einführung einer erfolgskritischen Technologie investiert wird. Bei der Haufe Akademie stellen wir zumindest bezogen auf die Buchungen keinen Rückgang, auch keine Stagnation, sondern ein kontinuierliches Wachstum fest – auch weil wir so breit aufgestellt sind.
Warum sollten Unternehmen auch jetzt in Weiterbildung investieren?
Christian Friedrich: Ich glaube, dass wir es uns nicht leisten können, nicht in Bildung zu investieren. Schon die oben genannten Herausforderungen, die in den aktuellen Marktunsicherheiten liegen, bedingen einfach neue Skills und Kompetenzen.
Ich glaube zudem, dass Weiterbildung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels eine große Rolle spielt. Aktuell versuchen viele Unternehmen, Lücken über den Arbeitsmarkt zu schließen. Was den Markt nicht größer macht, als er ist.
Für mich ist daher die Überlegung naheliegend, interne Potenziale zu nutzen und Mitarbeitende weg von ihren bisherigen Schwerpunkten in die Richtung des zukünftigen Bedarfs zu qualifizieren.
Weiterbildung kostet, Recruiting aber auch. Ich habe zudem über das Recruiting nicht die Garantie, einen Fit zu bekommen. Insofern kann es Sinn machen, die Costs-to-hire teilweise in die Weiterbildung zu shiften.
Allerdings sollten wir uns vergegenwärtigen, dass es hier zwei Seiten der Medaille gibt. Die eine ist die Zukunftsfähigkeit von Organisationen – hier ist Personalentwicklung eine große Stellschraube. Die andere ist die Beschäftigungsfähigkeit, womit ich beim einzelnen Menschen bin. Die Unternehmensverantwortung, die ich auch sehe, entbindet nicht von der Eigenverantwortung als Individuum, sich weiter zu qualifizieren und dabei vielleicht auch finanziell zu investieren. Der Markt und die Welt bewegen sich leider zu schnell, als dass es anders ginge.
Wie beobachten Sie die aktuelle Nachfrage nach Weiterbildung? Welche Themen buchen ihre Kunden besonders häufig beziehungsweise welche gewinnen an Bedeutung?
Christian Friedrich: Ein großes Thema sind gerade die sogenannten Future Skills. McKinsey und das World Economic Forum haben ganz gut beschrieben, wo wir perspektivisch mehr Kompetenz brauchen – von den technologischen Kompetenzen über die transformativen Themen bis zu den klassischen Soft Skills. Wir sehen in der Nachfrage durchaus, dass das branchenübergreifend in den Unternehmen ankommt.
Seit dem Launch von ChatGPT, mit dem KI für eine breite Masse nutzbar wurde, ist speziell Künstliche Intelligenz ein relevantes und verbreitetes Thema. Da gibt es viel Qualifizierungsbedarf – von den Grundlagen bis zu konkreten Use Cases wie „KI in der Buchhaltung“ oder „KI im Produktmanagement“.
Das heißt wiederum nicht, dass die klassischen Inhalte automatisch verlieren. Führungsthemen, HR-Themen, Buchhaltungsthemen haben ein gleichbleibendes Niveau an Qualifizierungsbedarf. Wir sehen insofern gerade keine Themen, die in der Perspektive unserer Kunden absolut irrelevant werden.
Apropos Künstliche Intelligenz: Wie gehen Sie mit dem Thema bei der Haufe Akademie um?
Christian Friedrich: Künstliche Intelligenz ist ein gutes Beispiel dafür, dass uns als Weiterbildungsanbieter dieselben Themen beschäftigen wie unsere Kunden. Tatsächlich investieren wir an der Stelle aktuell nicht nur bei der Akademie, sondern über die gesamte Haufe-Gruppe hinweg. Bei der Akademie verfolgen wir Initiativen auf unterschiedlichen Ebenen. Wir binden Künstliche Intelligenz in unsere eigenen Tätigkeitsfelder ein – von Produktmanagement bis Marketing. Zudem beschäftigen wir uns mit Möglichkeiten für komplett neue Geschäftsfelder.
Auf der Produktebene wiederum stellt sich immer wieder die Frage: Wie können wir unsere Weiterbildungsangebote intelligenter machen?
KI kann hier unterstützen. Etwa bei den Lerntechnologien in Form von Recommender-Systemen, die eine erhöhte Individualisierung und Personalisierung von Lerninhalten ermöglichen.
Natürlich ethisch korrekt und im Rahmen des EU AI Acts.
Sie sagen, dass Sie Weiterbildung intelligenter machen wollen. Können Sie das an einem Beispiel beschreiben und erläutern, wie Sie damit auf verschiedene Lernbedarfe reagieren?
Christian Friedrich: Unser Anspruch ist es, dass Menschen bei uns situativ, bedarfsorientiert und im passenden Format lernen können. In Präsenz, hybrid, digital – das bleibt dabei bei den meisten Themen die Spannweite unseres Angebots. Für manche Belange ist ein Seminar das Richtige, für andere eignen sich eher Microlearning-Formate. Nehmen wir als Beispiel das Thema Künstliche Intelligenz: Hier haben wir Präsenz- und virtuelle Formate, die auf eine Grundbefähigung für Branchen oder Funktionen abzielen. Etwa „Data Analyst“. Das kann als Ausbildung in Richtung einer bestimmten Job-Rolle über einige Wochen laufen oder als thematisch weiter zugespitzte Maßnahme in Form eines Zweitagesseminars auch online stattfinden.
Als drittes haben wir eine relativ neue Lösung im Markt, die sich „sparks“ nennt. Die kümmert sich als Mobile-First-Applikation explizit im Microlearning-Format um das Thema Future Skills. Bei der Konzeption haben wir darauf geachtet, Inhalte nicht in abstrakte Begriffe wie „Digital Literacy“ oder „Collaboration“ einzuteilen. Unser Ziel war, näher an die Realität der Leute zu kommen. Einer der„Smartguides“, wie wir die übergeordneten Themenblöcke nennen, heißt daher zum Beispiel „Hybrid Teams“. Ein anderer “AI for everyone”, um bei dem Beispiel von oben zu bleiben. Die einzelnen, untergeordneten Lerneinheiten beschäftigen sich dann jeweils mit einer konkreten Fragestellung – etwa dazu, was Kommunikation, Kollaboration oder Kreativität in einem hybriden Team bedeutet. Sparks ist so gestaltet, dass die Userinnen und User ihre Lernziele priorisieren können und selbst entscheiden, ob sie die Inhalte als Podcast anhören oder sich interaktiv aneignen. Zudem gibt es einen KI-basierten Recommender, der individualisiert Entwicklungsbausteine vorschlägt.
Letzte Frage: Wie gestalten Sie eigentlich Weiterbildung bei der Haufe Akademie?
Christian Friedrich: Wie bei unseren Kunden auch, gibt es in der Haufe Akademie vielfältige Weiterbildungsbedarfe – ob von den einzelnen Mitarbeitenden kommend oder an strategischen Zielen der Teams und des Unternehmens ausgerichtet. Das meiste können wir mit unserem Portfolio abdecken. Beispielsweise qualifizieren wir stark auf die sogenannten Future Skills hin. Und wir entwickeln unsere Führungskräfte nach dem “Be6!” Modell (es dreht sich um sechs Dimensionen, die für Führung relevant sind), welches wir auch auf dem Markt haben. Zusätzlich haben wir ganz spezifische Bedarfe, beispielsweise auf das Riesenthema derzeit, auf KI. Dafür bauen wir – so wie wir das auch für Kunden tun – individuell angepasste Qualifizierungslösungen. Dafür haben wir in der Haufe Akademie Kolleginnen und Kollegen, die sich ausschließlich darum kümmern, diese spezifischen Lern- und Entwicklungslösungen zu konzipieren.
Gleichzeitig steckt Weiterbildung tief in unserer DNA. Wir haben eine stark kollaborativ ausgerichtete Kultur und lernen gerne voneinander – beispielsweise über Formate wie Mentorship und Reverse-Mentorship. Letzteres zahlt meiner Einschätzung nach besonders gut auf die Herausforderung ein, sich als Organisation die Stärken aller Generationen zunutze zu machen. Den aktuell viel diskutierten Zusammenprall der Arbeitskulturen der Boomer und der Generation Z – ich habe übrigens Zweifel, dass es die überhaupt pauschal so gibt – erleben wir zumindest nicht.
Das Interview führte Alexander Kolberg.
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