Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Was Talente von High Potentials unterscheidet

Der Begriff Talent, der sich in seiner ursprünglichen Bedeutung allgemein auf Elemente wie Ausgleich und Begabung bezog, ist mehrheitlich stark positiv besetzt und geht heute einher mit Bezeichnungen wie Hochleistungsträger, Top-Performer, A-Player oder Hochbegabte. Insofern kann man bei erster Betrachtungsweise beide Begriffe – also Talent und High Potential – synonym behandeln. Im Folgenden wird gezeigt, dass man zudem Talente einmal als Obermenge und einmal als Vorstufe von High Potentials begreifen kann.
High Potentials als Teilmenge von Talenten
Zur konkreten (mengentheoretischen) Abgrenzung der Begriffe High Potentials und Talente werden zwei Faktoren herangezogen: Leistung und Potenzial. Betrachtet man diese als unabhängige Dimensionen und führt sie zusammen, so spannen sie eine zweidimensionale Matrix auf, die in dieser oder in ähnlicher Form in vielen Unternehmen angewendet wird und dabei helfen soll, High Potentials von anderen Mitarbeitergruppen zu unterscheiden.
Die Leistungsbeurteilung basiert auf dem „Können“ in der Vergangenheit oder Gegenwart. Leistung basiert auf vorhandenen Kompetenzen und berücksichtigt den „Output“ des Mitarbeiters. Das Leistungsergebnis ist daher messbar. Doch selbst wenn Mitarbeitende ein hohes Leistungsniveau zeigen, so müssen diese noch lange nicht High Potentials sein. Der Grund: Die vorhandenen Kompetenzen und deren Ausprägungen entsprechen lediglich den Anforderungen an die “derzeitige”Position.
High Potentials sollen aber in Zukunft weiterführende, erfolgskritischere Positionen bekleiden. Daher lehnen manche Autoren die Berücksichtigung von Leistung zur Bestimmung von High Potentials ab. Stattdessen betonen sie stärker den Potenzialaspekt.
Die Potenzialbeurteilung ist dagegen eher zukunftsbezogen und geht vor allem von dem erwarteten zukünftigen Beitrag der Führungskräfte bzw. Mitarbeitende zur Erreichung der Unternehmensziele aus. Damit wird der zukunftsbezogene Aspekt des Potenzials deutlich. Allerdings muss die Existenz von Potenzial nicht zwangsläufig dazu führen, dass die jeweilige Person die erforderlichen Kompetenzen (und damit die erhoffte Leistung) auch tatsächlich entwickelt. Entscheidend dafür ist die Motivation (also das „Wollen“). Nur wenn die Person die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft aufweist, sich den notwendigen zukünftigen Anforderungen anzupassen, erscheint der High-Potential-Status gerechtfertigt.
Zurück zur mengentheoretischen Betrachtung der beiden Begriffe Talente und High Potentials. Abbildung 1 zeigt High Potentials als Teilmenge der Talente, die wiederum die gesamte Gruppe der Menschen mit einem hohen Potenzial umfasst. High Potentials verfügen darüber hinaus über das Merkmal eines hohen Leistungsniveaus.

Talent als Vorstufe von High Potentials
Eine Darstellung, die etwas weiter ausdifferenziert ist, zeigt das „Personalportfolio“ in Abbildung 2. Danach werden als Talente jene Mitarbeitende angesehen, die über ein hohes Potenzial zur Wahrnehmung komplexer Aufgaben verfügen und sich auf dem Entwicklungsweg zu einem High Potential befinden. Gleichzeitig werden aber noch weitere Mitarbeitendengruppen (zum Beispiel Fragezeichen, Problemfälle) aufgeführt, die in dieser zweidimensionalen Matrix verortet sind.

Beide Abbildungen machen deutlich, dass die Grenze zwischen Talenten und High Potentials fließend ist.
Hinzu kommt noch eine weitere Überlegung, die in den beiden Wertschöpfungsketten der Personalmarketing-Gleichgung ihren Ausgang hat (siehe Abbildung 3):
So kann es in der Wertkette Personalbeschaffung definitionsgemäß noch gar keine High Potentials geben, da diese ja noch keinen Leistungsnachweis (zumindest in diesem Unternehmen) erbringen konnten. Insofern zielen die Personalbeschaffungsaktivitäten auf die Gewinnung von Talenten. Bei der Wertkette Personalbetreuung geht es dagegen um die Bindung von Talenten und deren Weiterentwicklung zu High Potentials.

Ausführliche Hintergrundinformationen und Quellen finden Sie hier:
D. Lippold: Modernes Personalmanagement: Personalmarketing im digitalen Wandel, 4. Aufl., Berlin/Boston 2023
Über die Person
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.
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