Kolumne von Bernhard Muhler Warum Teamfähigkeit im Top-Management zunehmend an Bedeutung gewinnt
An der Spitze tummeln sich Alphas
Die meisten Top-Manager und -managerinnen sind wettbewerbsorientierte, durchsetzungsstarke Einzelkämpfer: Klassisches Alpha-Verhalten also. Wenn – wie in den meisten Führungsetagen – mehrere Alphas aufeinandertreffen, lassen sich oft ähnliche Verhaltensmuster feststellen. Alpha Persönlichkeiten sind sowohl von ihrer fachlichen Expertise als auch von ihren analytischen Fähigkeiten absolut überzeugt, sich darauf zu verlassen hat sie schließlich bis ins C-Level gebracht. Dort angekommen, gilt es dann aber, die verschiedenen Expertisen und Blickwinkel von hochqualifizierten aber teilweise sehr unterschiedlichen Charakteren möglichst gewinnbringend zu harmonisieren. Sie müssen also ein Stück weit auf die analytischen Fähigkeiten der ANDEREN vertrauen.
Gemeinschaftlich (und optimalerweise ohne Konkurrenzgedanken) zur besten Lösung zu gelangen, entspricht nicht ihrem bisherigen Erfolgsrezept.
Gefährliche Stärken
Dieser empfundene Kontrollverlust ist für viele Alpha-Manager und Managerinnen schwer zu ertragen. Als Gegenreaktion darauf fokussieren sie sich oftmals umso mehr auf ihre sonstigen Stärken. Besonders unter Druck schlagen diese häufig in eine schädliche Übersteigerung um, man spricht vom “Alpha Male Syndrome”: Selbstbewusstsein kippt zu Arroganz. Oder Diskussionsfreudigkeit wird zu purer Rechthaberei, manchmal wird ein charismatischer Motivator ganz allmählich zum überfordernden Tyrann. Das Ergebnis ist das gleiche, nämlich verschenktes Potenzial an der Unternehmensspitze.
Nicht immer addieren sich die Kompetenzen von Top-Manager und Managerinnen gewinnbringend. Daher muss man bei einer hochrangigen Neubesetzung ebenso großen Wert auf charakterliche Veranlagungen und kulturelle Werte wie auf Kompetenzen und Vorerfahrungen legen.
Die beste Elf
Klassische Alpha-Persönlichkeiten empfinden kollegiale Rat- und Vorschläge schnell als Angriff auf ihren eigenen Verantwortungsbereich. Hier liegt jede Menge Konfliktpotenzial. Dies wird oft dadurch vermieden, dass sich die Alphas gegenseitig nicht in die Bereiche der anderen einmischen. Es kommt zu einer falschen Harmonie, einer Art des unausgesprochenen „Waffenstillstandes“.
Doch wo die Menschen miteinander reden, wächst der Verstand, sagt man. Es geht genau darum, die Ideen und Vorschläge von mehreren hochqualifizierten High-Performern objektiv miteinander zu vergleichen, um gemeinsam die in allen Belangen bestmögliche Lösung für die Gesamtorganisation zu finden. Dafür muss sich auch zivilisiert streiten lassen und das erfordert ein funktionierendes Team. Der legendäre Fußballtrainer Udo Lattek sagte einmal:
„Ich will die beste Elf, nicht die besten elf“, und traf den Nagel damit auf den Kopf. Denn die Art und Weise der Zusammenarbeit jedes Teams entscheidet maßgeblich darüber, ob die gesteckten Ziele erreicht werden oder nicht, umso mehr an der Unternehmensspitze.
ALIGN, ALIGN!
Wenn die Führungsetage unklar kommuniziert oder uneinig auftritt, entsteht in jeder Beziehung Unsicherheit. Die meisten kennen das noch aus der Kindheit: Wenn Mama sagt, ich soll A machen und Papa sagt B, darf ich dann beides? Oder soll ich sogar beides? Darf ich keines von beidem? Ohne klare Ansage von oben machen die meisten am Ende das, was sie sowieso machen wollten.
Das ist in Unternehmen nicht anders und vermittelt natürlich alles andere als ein professionelles Image gegenüber Kunden, Lieferanten, Investoren und anderen Partnern. Gegenteilig strahlt eine geschlossene Vertretung der gemeinschaftlich getroffenen Entscheidung eine andere Art der Autorität aus: Es schärft Prioritäten, schafft Orientierung und trägt zu einem positiveren Arbeitsumfeld für Angestellte bei. Dies fördert wiederum die Effizienz, Kohäsion und Verantwortlichkeit innerhalb des gesamten Unternehmens.
Deshalb gilt – bei aller Wichtigkeit der Debattenkultur – dass eine Entscheidung, sobald sie einmal gemeinsam getroffen wurde, in der Öffentlichkeit von der gesamten Unternehmensspitze im Schulterschluss mitgetragen werden muss.
Das fällt in aller Regel insbesondere Alpha-Persönlichkeiten leichter, wenn Sie zuvor die Möglichkeit hatten, an der Entscheidungsfindung aktiv mitzuwirken.
Teamarbeit und Konkurrenz
Eine gesunde Debattenkultur innerhalb der obersten Führungstage führt immer zu besseren Ergebnissen. Daher überrascht es, dass ausgerechnet hier der Stellenwert des gemeinsamen Arbeitens und Debattierens häufig gering geschätzt wird. Das kommt vor allem daher, dass die Arbeit auf höchster Führungsebene noch immer stark vom Konkurrenzdenken geprägt ist. Viele Top-Manager und Managerinnen beklagen sich über die viele Zeit, die Sitzungen in Anspruch nehmen, könnte man sie doch in den eigenen Bereich investieren. Denn letztendlich wird es oft als deutlich wichtiger empfunden, der eigenen Bereichsverantwortung gerecht zu werden als der geteilten Verantwortung für das Unternehmen. Und dementsprechend werden auch Prioritäten gesetzt und Kapazitäten eingeteilt – obwohl der Erfolg einzelner Bereiche Mittel zum Zweck des Erfolges des Gesamtunternehmens ist.
Theorien und Erfahrung
Konventionelle Theorien des Team-Buildings stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn es um hochrangige Führungskräfte geht. Oliver Blume, Chef der Porsche- und Volkswagen-AG, sagte einmal: „Ich führe nicht nach Theorien, sondern nach Erfahrung.“ Hieran wird zweierlei deutlich. Zum einen unterstreicht es, dass Alpha-Persönlichkeiten Zusammenhänge selbst verstanden haben müssen und keine Autorität akzeptieren, die sich vor ihnen nicht höchstpersönlich bewiesen hat. Denn die Erfahrung macht man selbst, Theorien kommen (in aller Regel) von anderen.
Zum anderen zeigt sich, dass es für die Unternehmensführung natürlich nicht DIE eine Theorie gibt. Entscheidungen auf oberster Ebene sind viel zu komplex, als dass man sie verlässlich verallgemeinern könnte und müssen, um erfolgreich zu sein, immer auch auf einem reichhaltigen Erfahrungsschatz aufbauen.
Tendenzen vor Augen führen
Das gleiche gilt für eine kommunikative Methodik zwischen Alpha-Persönlichkeiten: Die Alphas tun sich schwer mit fremden Theorien. Daher ist es naheliegend, die Praktiken, die ein objektives Bewerten von Ideen im Team ermöglichen sollen, gemeinschaftlich in ebendiesem Team zu entwickeln. Dabei lässt sich direkt „erfahren“ welche Ansätze für die spezifische Gruppe gut funktionieren und welche weniger. Dies kann nur durch eine aktive Auseinandersetzung mit den etablierten Verhaltens- und Denkmustern aller Mitglieder und (deren Überwindung) gelingen.
Speziell in Alpha-Gruppen empfiehlt es sich, jedem Teammitglied in einem kollektiven, reflektierten Austausch und frei von Vorwürfen die eigenen Verhaltens- und Urteilstendenzen vor Augen zu führen.
Die Führungsetage soll hierdurch zu einer objektiven Analyse-Einheit geformt werden, die sich selbstkritisch hinterfragen kann.
Über die Person
Bernhard Muhler ist Gründer und Geschäftsführer der renommierten BludauPartners Executive Consultants GmbH und verantwortet den Bereich Executive Development. Er gilt als ein führender Berater im Changemanagement und der Organisationsentwicklung und berät zahlreiche Unternehmen in Deutschland und Europa.
Kommentare:
Lesen Sie mehr zum Thema:
verwandte Artikel werden geladen...
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!