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Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Warum man über eine Renaissance der Lehre nachdenken sollte

An seine Ausbildung zum Industriekaufmann denkt unser Kolumnist Prof. Lippold gerne zurück. Denn dort hat er mehr für seine weiteren beruflichen Weg gelernt als an der Hochschule. Die Lehre als Fundament für ein Studium sollte seiner Meinung nach wieder Schule machen. Vorteile lägen nicht nur in sinkenden Studienabbruchquoten.

Eine Lehre war und ist ein empfehlenswerter Einstieg ins Berufsleben, findet Prof. Dirk Lippold. Hier: Auszubildende bei Porsche. (Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas)
Manchmal ertappe ich mich dabei, meinen beruflichen Weg – quasi in einer genugtuenden Rückschau – noch einmal gedanklich nachzuvollziehen. Ich stelle mir dann die Frage, an welchem Punkt die entscheidende Weichenstellung stattgefunden hat. Und jedes Mal komme ich zu dem Ergebnis: Es war meine Lehre zum Industriekaufmann. Warum? Zwei Gründe will ich nennen:

Erstens: Im Gegensatz zum Praktikum durchlaufen Auszubildende (früher: Lehrlinge) mehrere betriebliche Bereiche. Bei mir waren es nacheinander Einkauf/Materialwirtschaft, Rechnungswesen, Buchhaltung, Versand, Vertrieb, Export, Personal und Marktforschung. In jeder Abteilung blieb man drei Monate. Hinzu kam ein Werksunterricht mit Buchführung, kaufmännisch Rechnen und Betriebslehre sowie Rechnungswesen.

Zweitens: Ich selber habe während meiner Lehrzeit mehr gelernt und mehr für mein späteres berufliches Leben mitgenommen als in meinem gesamten, nachfolgenden BWL-Studium. Das gilt insbesondere für meine Erfahrungen mit den besonderen Verhaltensweisen, Empfindungen, Emotionen und Einstellungen der Personen im Betrieb – Erfahrungen, die man in keinem Lehrbuch nachlesen kann.

Aber es gibt noch weitere gute Gründe, warum ich auch heutzutage jungen Leuten, die ja häufig direkt nach dem Abitur noch orientierungslos sind, vor dem Studium zunächst eine Lehre empfehle.

Die Abbruchquote sinkt, Pflichtpraktika entfallen

Durch eine Lehre direkt nach dem Abitur ließe sich die hohe Abbruchquote insbesondere bei den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen deutlich verringern. In der Lehre erkennen die Auszubildenden, ob sie sich für ein anschließendes Studium in diesem Berufsfeld eignen oder nicht. Und selbst im negativen Fall wäre eine betriebliche Ausbildung auch immer eine gute Grundlage für die Führung eines Handwerksbetriebes oder ähnliches.

Schließlich könnten die Pflichtpraktika, die ja in einigen Branchen nicht oder nur unzureichend vergütet werden, ersatzlos wegfallen. Das hätte den Vorteil, dass es nur noch freiwillige Praktika gäbe, die dann in jedem Fall entsprechend honoriert werden.

Hinzu käme, dass die Personalabteilungen auch inhaltlich bei der Aufstellung einer zweijährigen Ausbildungsplanung mit unterschiedlichen Unternehmensabteilungen ein Aufgabenfeld vorfinden würden, dass deutlich über die allgemeine Praktikumsbetreuung hinausgehen würde.

Um die Vorteile einer Lehre unmittelbar nach dem Abitur voll ausschöpfen zu können, müsste allerdings die Dauer der Lehre für Abiturienten von drei auf zwei Jahre verkürzt werden.

Fazit: Sicher, die damalige Zeit lässt sich mit der heutigen nur noch bedingt zu vergleichen. Auch kommt mein Vorschlag ausschließlich aus kaufmännischer Sicht.

Wie sieht es bei der gewerblichen Ausbildung oder im IT-Bereich aus? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

 

Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

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