„Führungskultur? Kundenorientierung? Dafür haben wir Stabsstellen!“ Wie Führungsversagen beendet wird (Ausgabe 13/23) Teil 2: Absurdes Kundenbild und „Cho’s Vermächtnis“

Viele Vertrieber sind noch der Überzeugung, Kunden müssten überredet werden. (Bild: picture alliance / PantherMedia | Phovoi R.)
Wer andere bewertet, neigt dazu, Erwartungen durch selektive Wahrnehmung bestätigen zu wollen – was nicht ins Bild passt, wird mehr oder weniger bewusst passend gedacht oder ausgeblendet.
Wer bewertet wird, agiert letztlich gemäß den Einschätzungen der Bewerter. So entstehen selbst erfüllende Prophezeihungen, erkennbar an Äußerungen wie: „Aha, wusste ichs doch!“, oder: „Na, da haben wir es mal wieder.“ Hinzu kommt eine verbreitete Misstrauenshaltung: „Mein Vertrauen muss man sich erst einmal verdie-nen!“, ein Generalverdachtsspruch, nichts weiter als eine Unverschämtheit. Wie selbstverständlich meinen solche Chefs, Mitarbeitende seien generell arbeitsfaul und übernähmen ungern Verantwortung, weshalb sie mit Anreizen wie Druck, Lob, Mahnung und Kontrolle aus ihrer Bequemlichkeit geholt werden müssten.
Solche Chefs sind unwillig oder unfähig, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung zu delegieren. Symptomatisch sind Äußerungen wie: „Zu viele Fehler – das muss doch alles über meinen Tisch laufen.“ bis hin zum despektierlichen „Ich bin von Idioten umgeben!“. Sie tragen Tag für Tag maßgeblich bei zu Unzufriedenheit und mangelndem Engagement. Diese Denkweise überträgt sich auf Mitarbeiter und prägt natürlich auch den Umgang mit Kunden. So hält sich (nicht nur) bei „gestandenen Vertrieblern“ hartnäckig die Überzeugung, Kunden müssten überredet werden durch eine Mischung aus taktischen
Gesprächsvorbereitungen, Fragetechniken und- kanälen, Motivationsphasen, Einwandbehandlungen, direktivem Verhalten und Nutzenargumenten. Nur wer diesen Tool- und Methodenmix beherrsche, sei „Top Seller“. [2] Obwohl sich auch die Einsicht etabliert hat, dass Kunden Wertschätzung verdienen und richtiges Zuhören wesentlich ist, überwiegt noch das Bild vom generell kaufunwilligen Kunden, auf den Punkt gebracht in diesem Zitat aus einem Handbuch für Vertriebsprofis:
„Was will der Kunde eigentlich? Eines sicher nicht: Kaufen! Solange es uns nicht gelingt, seine Kauflust zu wecken, ihn zum Kauf zu motivieren, solange will er nichts! Auch wenn er Bedarf hat! „Kauflust wecken“ heißt: Dem Kunden auszumalen, welche Vorteile, welchen Nutzen, welche Bedürfnisbefriedigung es ihm bringt, wenn er unser Angebot annimmt!“ [3]
Ohne Überzeugungsmodus geht also nichts. Die hierzu notwendigen Skills verrät eines der erfolgreichsten Werke für Verkäufertraining: ‚‚Selbstvertrauen sowie Kreativität und geistiges Kapital“, um „das verflixte NEIN zu Beginn der meisten erfolgreichen Verkaufsgespräche zu überwinden.“ Zwei weitere Fähigkeiten müssten sich dazugesellen: „Ja, der Verkäufer muss ständig überzeugen und sich durchsetzen. Also gilt: Um Erfolg im Verkauf zu haben, muss man als drittes Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft besitzen.“ [4]
So wird versucht, Verkäufer/innen auf alle möglichen „Wenn… dann…“- Situationen vorzubereiten und sie mit vielfältigen Anreizen zu Verkaufsleistungen anzuspornen. Allzu oft verpuffen diese aufreibenden Bemühungen. Dieser „Überzeugungsmodus nach innen“, also vormachen, vorbeten, Lösungen bringen, anweisen und Vorgefertigtes schulen, ist das Gegenteil von Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung.
Um dieses kaum reflektierte „Mindset“ zu ändern, ist zunächst ein grundsätzlich anderes Führungsverständnis unabdingbar. Es wurde bereits 2008 von Fujio Cho, seinerzeit CEO und Architekt des Toyota Way, in einer Videobotschaft auf den Punkt gebracht und ist seit ca. 3 Jahren wieder topaktuell. Er sagte sinngemäß:
Liebe Mitarbeitende in der Produktion, der Verwaltung oder in den Autohäusern: Verbessert die Euch anvertraute Arbeit kontinuierlich. Lasst Euch hierbei nicht beirren, seid mutig und entschlossen. Diese Einstellung wissen wir sehr zu schätzen.
Liebe Führungskräfte. Eure wichtigste Aufgabe ist es, jeden der Euch anvertrauten Mitarbeiter zu respektieren, zu fördern und zu stärken. Das ist der Kern unserer Philosophie und unseres Erfolges. Nur wenn Ihr hierbei erfolgreich seid, stehen Euch weitere Türen offen.
Die Toyota- Führungsphilosophie ist das Fundament für Servicebewusstsein und wirkliche Kundenorientierung. Was wollen Kunden eigentlich und was ist konkret zu tun, um ihre klaren und einfachen Wünsche begeisternd zu erfüllen? Diese Frage wird nächste Woche im abschließenden 3. Teil beantwortet.
Hier geht es zum dritten Teil: Zukunftsfähige Führung und was Kunden wirklich wollen
Hier geht es zum ersten Teil: „A fool with a tool…“ – von Strategiephrasen und fataler Methodenfixierung
Quellen: [2] Beck 1995, S. 5-9. [3] Beck 1995, S. 191. [4] Reibold 1998, S. 4f.
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