Ziele, Instrumente und Herausforderungen der Workforce Transformation Teil 1: Die Ziele der Workforce Transformation

Der Begriff der Workforce Transformation hat in der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren eine beeindruckende „Karriere“ gemacht. Als wir bei von Rundstedt 2017 mit den ersten Konzepten zum Thema Workforce Transformation begannen, war es bis auf wenige Ausnahmen in einigen großen Unternehmen noch sehr ruhig um den Begriff.
Unsere gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute im September 2024 veröffentlichte Studie zur Workforce Transformation hat hingegen gezeigt, dass mittlerweile bereits 81 Prozent der Business-Entscheider in Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeitenden das Konzept der Workforce Transformation kennen und sogar 73 Prozent bereits mit dem Konzept arbeiten oder zumindest seinen Einsatz für die kommenden zwei Jahre planen. (1)
Es lohnt sich daher, an dieser Stelle einen Zwischenstopp zur Reflexion einzulegen, um in einer mehrteiligen Serie über die Ziele, Instrumente und Herausforderungen im Projektalltag der Workforce Transformation nachzudenken.
Die Ziele der Workforce Transformation für das konkrete Unternehmen definieren
Die allgemeine Zieldefinition lautet, dass im Unternehmen qualifizierte Mitarbeitende an den passenden Stellen zu wettbewerbsfähigen Kosten zur Verfügung stehen sollten. Die Formel klingt auf den ersten Blick griffig und verständlich, verkürzt aber ungewollt die großen Herausforderungen. Wer das Konzept der Workforce Transformation für sein Unternehmen nutzen möchte, sollte es daher an die Dynamik der Märkte und Technologien in seiner Branche anpassen.
So stellt sich die Workforce Transformation für einen mittelständischen Zulieferer im Segment der Verbrennertechnologie völlig anders dar als für einen Pharmakonzern, obwohl sie vergleichbare Instrumente und Methoden anwenden können.
Ein immer noch weit verbreiteter Irrglaube ist es, dass die Workforce Transformation in erster Linie eine Aufgabe für Personalverantwortliche ist. Durch die Dynamik der Märkte und Technologien erfährt der unternehmerische Wandel in den Unternehmen eine radikale Beschleunigung, die nur durch eine erfolgreiche Integration der Workforce Transformation bewältigt werden kann. Workforce Transformation wird damit zur strategischen Aufgabe der obersten Führungsebene, die keinesfalls an den Personalbereich delegiert werden kann.
Dieses neue Zusammenspiel der beiden Transformationspfade von Business und Workforce muss in den meisten Unternehmen, gleich ob Konzern oder Mittelstand, erst noch gelernt werden. Aber auch hier zeigt unsere Studie ermutigende Ergebnisse. Bereits 26 Prozent der befragten Unternehmenslenker geben an, die Weiterentwicklung von Geschäftsmodell und Personal im dynamischen Abgleich voranzutreiben. (2)
In der aktuellen Strukturkrise gerät diese wichtige Herausforderung leider in den Hintergrund, da die medialen Schlagzeilen von Stellenabbau dominiert werden, der an die Bewältigungsstrategien früherer konjunktureller Krisen wie der Finanzkrise von 2008/2009 erinnert. Hier droht jedoch ein gefährliches Missverständnis. Zwar steht außer Frage, dass in verschiedenen Branchen große und mittelständische Unternehmen schmerzhafte personalwirtschaftliche Anpassungen vorbereiten und umsetzen müssen.
Die Gefahr ist aber groß, dass die Maßnahmen ausschließlich unter kurzfristigen Gesichtspunkten geplant und umgesetzt werden und dabei die mittelfristigen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens unterschätzt werden.
Den Paradigmenwechsel verstehen und umsetzen
Hier setzt das Konzept der Workforce Transformation an, das weit über den klassischen Stellenabbau im Rahmen kurzfristiger Restrukturierungen hinausgeht. Es bleibt daher nicht bei der traditionellen Steuerung der Arbeitskosten als dienende Aufgabe von HR für das Top-Management im laufenden Geschäftsjahr stehen, sondern erweitert die Perspektive auf die Potentiale der Beschäftigten für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens in drei oder in fünf Jahren.
Hier ist auch ein Paradigmenwechsel erforderlich, der für viele Unternehmenslenker und Personalverantwortliche noch Neuland ist.
Nehmen wir hier zur Veranschaulichung ein mittelständisches Maschinenbau-Unternehmen mit mehreren Produktionsstandorten in Deutschland, Polen und Tschechien. Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks aus Ostasien müssen die Arbeitskosten gesenkt werden. Da liegt der Gedanke nahe, die Produktion an die kostengünstigeren Standorte in Mittelosteuropa zu verlagern und in Deutschland nur noch bestimmte Overhead-Funktionen und den Vertrieb zu belassen.
Dies mag für den Moment eine finanzielle Entspannung bringen, birgt aber in der mittelfristigen Perspektive deutlich größere Risiken. Das Produktportfolio wird sich in den nächsten Jahren ungleich schneller und tiefgreifender verändern als in den letzten 30 Jahren. Die Integration von software- und KI-basierten Dienstleistungen rund um den betrieblichen Einsatz der Maschinen beim Kunden verändert das Produktionsdesign und die Servicestruktur radikal. Vor diesem Hintergrund muss sich die Geschäftsführung gemeinsam mit dem Personalbereich bereits heute folgende Fragen stellen:
- An welchen unserer heutigen Standorte finden wir in ca. drei Jahren die dringend benötigten Fachkräfte bzw. können die heutigen Beschäftigten erfolgreich für Industrie-4.0-Konzepte qualifiziert werden?
- Welche demografischen Risiken an unseren Best-Cost-Standorten unterschätzen wir heute, deren negative finanzielle Auswirkungen die heutigen Kostenvorteile deutlich übersteigen?
- Lässt sich die über Jahrzehnte gewachsene Unternehmensstruktur noch evolutionär anpassen oder müssen wir uns angesichts der China-Geschwindigkeit unserer Wettbewerber radikal neu aufstellen?
- Wie können wir langjährige Mitarbeitende, die diese anspruchsvollen Transformationspfade nicht mehr mitgehen wollen oder können, bei ihrem beruflichen Neustart auf dem regionalen Arbeitsmarkt optimal unterstützen?
Hier gute und umsetzbare Antworten zu finden, wird für die meisten Unternehmen eine anstrengende Aufgabe sein. Ebenso wichtig wird es sein, diese Antworten nicht nur auf bunten Powerpoint-Folien zu präsentieren, sondern im Unternehmensalltag mit produktivem Leben zu füllen. Wie die Mitarbeitenden dafür gewonnen werden können, stellen wir in der nächsten Folge dar.
Quellen
(1) Vgl. Sophia von Rundstedt: Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigten nachhaltig stärken – Workforce-Transformation-Studie, 2024, S.21. [https://www.rundstedt.de/wissen/workforce-transformation-studie-2024]
(2) Vgl. ebd., S.27.
Über die Person
Christian Summa ist Geschäftsführer und Partner bei von Rundstedt. Als Chief Consulting Officer leitet er deutschlandweit die Kundenbetreuung in Restrukturierungs- sowie Personalumbau- und -abbauprojekten. Seit 2020 teilt er sich die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft Rundstedt Transfer GmbH mit Sophia von Rundstedt. Als Anbieter von Transfergesellschaften und ungeförderten Outplacement-Projekten verfügt von Rundstedt über langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit... mehr
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