Agilität und Führung So stärken Führungskräfte die Selbstverantwortung ihrer Teams

Selbstorganisiertes Arbeiten liegt im Trend. Vielen Teams fehlt oft jedoch die notwendige Reife, und Führungskräfte halten an ihrer alten Rolle fest. Wie können Führungskräfte die Eigenverantwortung der Teams stärken, unterstützt von HR?

Teammeeting (Bild: picture alliance / Zoonar | Max)
Da Kommunikation für selbstorganisiertes Arbeiten wichtig ist, sollten regelmäßig Teammeetings stattfinden. Dabei hat sich der Einsatz von Kanban-Boards bewährt. (Bild: picture alliance / Zoonar | Max)

Die dynamischen Veränderungen der Märkte erfordern schnellere operative Prozesse, die sich mit hierarchisch organisierten Strukturen nicht mehr vereinbaren lassen. Um schnelle und kundennahe Entscheidungen treffen zu können, braucht es selbstorganisierte Teams und Führungskräfte, die sich als „Servant Leaders“ verstehen und ihre Mitarbeiter auf dem Weg zu mehr Selbstverantwortung begleiten. Allerdings erfordert dies auch ein neues Rollenverständnis – vom Entscheidungsträger hin zum Befähiger. Es gilt, die Mitarbeitenden dazu zu ermutigen, selbstverantwortlich zu handeln und nur bei Bedarf Unterstützung einzufordern.

Vor allem Führungskräfte aus der „alten Welt“ fühlen sich bisweilen in der neuen Rolle nicht wohl, vertrauen ihrem Team nicht ausreichend und lassen das eigenständige Handeln nicht wirklich zu.

Die Bedürfnisse älterer Führungskräfte und jüngerer Mitarbeitender, die Gestaltungsfreiheit einfordern, klaffen mitunter auseinander. Ein solcher Führungsstil sorgt für Frust, Mitarbeitende werden unproduktiv, und es können Konflikte im Team entstehen. Langfristig kann es für das Unternehmen negative Folgen haben: Mitarbeiter springen ab, weil die Unternehmenskultur nicht ihren Werten entspricht.

Agile Organisation durch Paradigmenwechsel

Selbstorganisierte Teams arbeiten iterativ, treffen eigenständig Entscheidungen und bieten ihren Kunden die bestmögliche Lösung und damit einen Mehrwert. Wenn Teams ihre Arbeit als ihr Ding verstehen und Verantwortung für ihr Arbeitsergebnis übernehmen, spricht man von Ownership. Wie sehr man ein Team sich selbst überlassen kann, hängt auch vom Reifegrad der Selbstorganisation ab. In reiferen Organisationen wissen die Mitarbeitenden um die Kompetenzen der anderen, haben gelernt, sich Feedback zu den Arbeitsergebnissen zu geben und wissen, wie sie den größten Kundennutzen stiften können. In diesem Fall kann die Führungskraft stärker zurücktreten als in Teams, die noch am Anfang der Selbstorganisation stehen.

Eine wichtige Voraussetzung für das selbstorganisierte Arbeiten ist, dass Führungskräfte ihren Teams vertrauen und ihnen für ihre Projekte das notwendige Maß an Eigenverantwortung geben, ohne sie dabei zu über- oder unterfordern.

Je nach Reife des Teams lernen die Teammitglieder so peu à peu Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn die Führungskraft sich mit der Zeit stärker zurückzieht, hat sie dennoch eine wichtige Rolle als Prozessbegleiter: Es gilt das Teamziel und die Rollen zu definieren, damit jeder weiß, was er erreichen kann und wann das Team erfolgreich ist.

Kommunikation und Rückkopplungsprozesse

Wichtig ist auch, die Kommunikation innerhalb des Teams zu fördern. Daher sollte die Führungskraft regelmäßige Teammeetings organisieren, kontinuierliches Feedback einführen und die Arbeit des Teams transparent machen. Hierfür eignet sich ein Kanban Board, auf dem festgehalten wird, wer für welche Aufgaben die Verantwortung übernimmt. Die Arbeitsorganisation mit der Verteilung der jeweiligen Arbeitspakete und der Ergebnisdokumentation kann das Team schrittweise selbst übernehmen.

Im Prozessverlauf ist es wichtig, dass sich die Kollegen damit auseinandersetzen, welchen Effekt ihr Ergebnis hat, indem sie proaktiv die Rückkopplung zum Kunden suchen. In einem Produktionsunternehmen kann das Team zum Beispiel analysieren, wie viel Ausschuss produziert wird und wie zugunsten einer höheren Kundenzufriedenheit die Qualität und die Produktivität gesteigert werden können. Wenn sich das Team als Experte der Produktionslinie versteht, kommt es zu neuen Lösungen und kann sich als wichtige Schnittstelle zum Kunden behaupten.

Die Selbstwirksamkeit des Teams stärken

Nicht immer fällt es einzelnen Teammitgliedern leicht, mit der neuen Arbeitsform zurechtzukommen. Manche trauen sich nicht, Entscheidungen ohne die Absicherung durch die Führungskraft zu treffen, weil sie zum Beispiel Angst vor möglichen negativen Folgen haben. In diesem Fall hilft es, Mitarbeitende zur Führungsverantwortung zu ermutigen. Das heißt:

Bitten Mitarbeitende die Führungskraft darum, die Entscheidung für sie zu treffen, sollte die Führungskraft dies ablehnen und die Betreffenden stattdessen durch Fragen in ihrer Entscheidungskompetenz stärken.

Zum Beispiel: Welche Optionen siehst du, mit welchen Vor- und Nachteilen? Welche Option würdest du mir empfehlen?

Im Nachgang kann man Mitarbeitende darin bestärken, es beim nächsten Mal selbst zu entscheiden. Das steigert das Selbstwertgefühl und bringt zudem einen Lerneffekt mit sich, nämlich, dass die Person die Entscheidung nicht mehr abgeben muss und auch zu guten Lösungen kommen kann. Das hat wiederum einen sich selbst verstärkenden Effekt: Dadurch, dass immer mehr von einzelnen Teammitgliedern entschieden wird, trauen sich auch andere Teammitglieder selbst zu entscheiden. Insgesamt steigt die Selbstwirksamkeit des Teams. Die Folge daraus: Die Organisation verändert sich langsam und damit nachhaltiger.

Coaching zur Stärkung der Führungsrolle

Auf dem Weg zur Selbstorganisation geraten auch Führungskräfte mitunter in ein Dilemma: Trugen sie als „beste Fachkraft“ zuvor die Verantwortung, müssen sie jetzt den Entscheidungen ihrer Teams vertrauen. Viele haben Angst, die Kontrolle für die Projekte zu verlieren oder gar den Unternehmenserfolg zu gefährden. Ein externes Coaching kann helfen, eine sachliche Perspektive zuzulassen, die Gefühle zu adressieren und für das eigene Handeln gestärkt zu werden. Führungskräfte erkennen oft im Prozessverlauf: Die eigenständigen Entscheidungen ihrer Mitarbeitenden haben im Normalfall nicht die gravierenden Konsequenzen, die sie sich vorher ausgemalt haben, sondern öffnen häufig neue Perspektiven und Möglichkeiten. Im Coaching wird ihnen zudem die Rolle als Dienstleister ihres Teams bewusst.

Es kommt darauf an, die Mitarbeitenden beim Aufbau ihres Erfahrungswissens zu unterstützen und sie darin zu bestärken, für einen gewissen Zeitraum Neues auszuprobieren, das auch revidiert werden kann.

Mitarbeitenden in diesem Veränderungsprozess Sicherheit zu geben und sie zu unterstützen, kalkulierbare Risiken einzugehen, Fehler zu machen und daraus lernen zu dürfen, ist die wichtige Aufgabe der Führungskraft. In regelmäßigen Einzelgesprächen kann sie Mut machen und Feedback geben. Retrospektiven eignen sich zudem dafür, die Zusammenarbeit und Beziehungen im Team zu stärken.

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HR als Gestalter der Führungskultur

In welchen Fällen ein Coaching sinnvoll ist, kann gemeinsam mit HR als Begleiter im Veränderungsprozess entschieden werden. Im Coaching können Führungskräfte ihre eigenen Hürden und Glaubenssätze reflektieren und überwinden sowie agile Gesprächstechniken, zum Beispiel lösungsorientierte Fragen, trainieren. Fällt es vielen Führungskräften im Unternehmen schwer, ihren Führungsstil entsprechend der neuen Arbeitsform weiterzuentwickeln, kann HR das Instrument „360-Grad-Feedback“ einführen. Darüber hinaus können insbesondere Mentorenprogramme für junge Führungskräfte sinnvoll sein.

Desweiteren könnte HR Hospitationen organisieren, die einen Erfahrungsaustausch mit Firmen, die bereits einen hohen Grad der Selbstorganisation aufweisen, ermöglichen.

Die Selbstorganisation ist kein Selbstläufer. Mit einer offenen, fragenden Haltung können Führungskräfte ihre Teams dabei unterstützen, eigenverantwortlicher zu handeln. So wird auch das Vertrauen in die neue Art der Zusammenarbeit gestärkt. Statt Verhinderer werden sie zum Förderer der Selbstorganisation. 

 

Über die Person

Anaïce Bode, Organisationsberaterin und Coach, begleitet Unternehmen auf dem Weg zur Selbstorganisation mit agilen Arbeitsmethoden. www.einfach-agiler.de

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