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Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Sind High Potentials die Condottieri unserer Zeit?

Es ist sicherlich legitim, dass jedes Unternehmen möglichst nur die Besten, also die sogenannten High Potentials einstellen möchte. Doch wer sind die Besten? Und vor allem: Wer sind die Besten für das jeweilige Unternehmen? Und schließlich: Wozu braucht man High Potentials überhaupt? Als spätere Führungskraft? Als Top-Verkäufer? Zur Image-Verbesserung („Bei uns arbeiten nur die Besten“)?

Condottieri
Francesco Sforza, Cesare Borgia, Andrea Doria und Giovanni de Medici sind die bekanntesten Condottieri.

Condottieri wechseln oft die Seiten

High Potentials können zweifellos zu besonderen Taten fähig sein, um bestimmte Ziele zu erreichen. Dennoch wirken sie zuweilen souveräner und robuster, als sie wirklich sind. Hermann Wottawa vergleicht die High Potentials mit den Condottieri*, den italienischen Söldnerführern des späten Mittelalters. Diese wechselten oft die Seiten für bessere Bezahlung und dies nicht nur vor, sondern sogar mitten in der Schlacht. Aufgrund ihres Einflusses, ihrer Macht und sicherlich auch aufgrund ihres Könnens begannen sie, ihren Arbeitgebern die Bedingungen zu diktieren – waren aber dennoch enorm begehrt und in den Augen der jeweiligen Fürsten unverzichtbar.

Nicht der High Potential, sondern das Unternehmen investiert

Soweit wollen wir hier nicht gehen, aber es ist kein Geheimnis, dass manche High Potentials Akzeptanzprobleme bei „normalen“ Kollegen und eine “spezielle” Persönlichkeit haben. Jeder Arbeitgeber sollte sich darüber im Klaren sein, dass es nicht der High Potential ist, der in eine Stelle (besser: Assignment) investiert, um diese zu bekommen, sondern das Unternehmen, um den High Potential zu rekrutieren. Somit steigert das zwar die spätere Loyalität des Unternehmens zu diesem potenziellen Leistungsträger, aber eben nicht umgekehrt. Entsprechend benötigen High Potentials eine besondere Führung, um voll motiviert zu sein. Ansonsten wechseln sie schnell zum Konkurrenten, wenn dieser ihnen ein besseres finanzielles Angebot macht.

Notendurchschnitt vs. Entwicklung der Persönlichkeit

Vielleicht ist für das eine oder andere Assignment ein Kandidat besser geeignet, der keine „Eins vor dem Komma“ hat. Natürlich sind (Abschluss-)Noten nicht unwichtig, sie aber als erstes und häufig auch als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch zu missbrauchen, ist kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche Bestleistungen, Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar über den zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der „Eins vor dem Komma“. Persönlichkeit kann man nur bedingt lernen, Sprachen oder Mathematik sehr wohl.

Was ist besser für das Unternehmen?

Es gibt also noch eine andere Seite, die bei High Potentials zu beachten ist. Daher stellt sich vielerorts die Frage: Was ist besser für das Unternehmen? Ein loyaler, motivierter Mitarbeiter mit gutem Sachverstand oder ein High Potential mit Esprit und pfiffigen Ideen, der aber ob seiner geringen emotionalen Bindung ständig mit den Hufen scharrt und dem das nächste attraktive Angebot eines Headhunters herzlich willkommen ist.

Auf die Taten insbesondere der beratenden Zunft und der Recruiting-Teams von Großkonzernen bin ich gespannt.

Quellen:
H. Wottawa: High Potentials – Die Condottieri unserer Zeit. Vortrag im Rahmen der Management-Konferenz „Talent Management in der Praxis“ am 8. Mai 2008 in München.
D. Lippold: Personalmanagement und High Potentials. Top-Talente finden und binden, Berlin-Boston 2021.

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Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

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