Top-Themen:

Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Praktika zum Nulltarif sollten der Vergangenheit angehören!

Unentgeltliche und niedrig bezahlte Praktika sind leider immer noch weit verbreitet – besonders in den Branchen Medien, Werbung und Touristik. Mit diesem Umstand beschäftigt sich Prof. Lippold in seiner aktuellen Kolumne und erläutert, warum gerade die Praxis der Pflichtpraktika aus seiner Sicht problematisch ist.

Praktikum Medienbranche (Bild: picture alliance/KEYSTONE | MICHAEL BUHOLZER)
In der Medienbranche erfolgen Praktika besonders häufig unvergütet. (Bild: picture alliance/KEYSTONE | MICHAEL BUHOLZER)

Praktikumsgehalt – das ist ein Thema, bei dem ich wirklich emotional werde. Geld ist nicht das Wichtigste. Das gilt insbesondere bei der Wahl des Einstiegsjobs für Hochschulabsolventen. Hier empfehle ich meinen Studierenden, anstatt auf eine attraktive Vergütung zunächst auf andere Kriterien zu achten. Anders sieht es dagegen beim Praktikumsgehalt aus.

Hier sollte man sich in jedem Fall einen Arbeitgeber suchen, der seinen Praktikanten überhaupt ein Gehalt zahlt. Ja, Sie haben richtig gelesen. So wird in der Medienbranche und hier insbesondere bei den Rundfunkanstalten, die ja bekanntermaßen über besonders attraktive Praktikumsplätze verfügen, das Praktikum nicht vergütet. Auf der Website des Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) stand bis vor Kurzem noch folgender Hinweis:

„Wir bieten vorrangig Studierenden die Möglichkeit, ihr Pflichtpraktikum im Rahmen ihres Studiums im rbb zu absolvieren. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die Praktika nicht vergütet werden.“

Das hat der Arbeitgeber, der sich über unsere Rundfunkgebühren finanziert, zwischenzeitlich aber auf Druck vieler Aspiranten geändert. Und das zu Recht, denn ein Praktikum beim Fernsehen oder beim Rundfunk bedeutet nicht einfach nur zusehen und Kaffee kochen. Die meisten Praktikanten recherchieren Dreharbeiten für Redakteure. Sie bereiten Interviews vor und führen sie manchmal sogar selbst durch. Sie fahren zu den abenteuerlichsten Zeiten durch die halbe Republik, um bei den Dreharbeiten vor Ort zu sein. Da ist eine angemessene, faire Vergütung längst überfällig.

So ist es aber, wenn Institutionen in bestimmten Bereichen – hier in der Medienbranche – eine (zumindest regionale) Monopolstellung haben. Sie können die Preise diktieren – und sei es zum Nulltarif. Das gilt übrigens nach meinen Recherchen für viele ARD-Rundfunkanstalten und auch für RTL. Immerhin bietet das ZDF seinen Praktikanten seit Kurzem ein Feigenblatt-Entgelt von monatlich 350 Euro, ein Betrag, von dem die allermeisten Praktikanten nicht einmal ihre Miete zahlen können.

Übrigens sind in den Branchen Medien, Werbung oder Touristik unentgeltliche Praktika eher die Regel als die Ausnahme.

Doch kommen wir zu den Fakten:

  1. Es gibt kein generelles Recht auf ein Praktikumsgehalt in Deutschland. Meine Meinung: Das ist ein Unding, weil aus der Zeit gefallen.
  2. Die Bezahlung hängt in erster Linie davon ab, ob es sich um ein Pflichtpraktikum oder ein freiwilliges Praktikum handelt. Meine Meinung: Diese Unterscheidung ist ebenfalls ein Unding, denn bei einem Pflichtpraktikum ist der Arbeitgeber davon befreit, das Praktikum zu vergüten. Hier werden also – falls der Arbeitgeber nicht mitzieht – die Praktikanten dafür bestraft, dass in der Studienordnung für ihren Studiengang ein Pflichtstudium vorgesehen ist. Es spricht überhaupt nichts gegen ein Pflichtpraktikum, aber es muss vernünftig vergütet werden.

Schließlich noch ein Wort zur Vergütungsspanne:

Laut CLEVIS-Praktikantenspiegel verdienen Praktikanten in Konzernen rund 1.300 Euro im Monat. Bei KMUs sind es knapp 1.100 Euro. Für diese Unternehmen ist es offensichtlich ganz wichtig, den Nachwuchs in der Ausbildung zu fördern und monetär zu unterstützen. Auch haben diese Arbeitgeber erkannt, dass sie von einem Praktikanten deutlich mehr bekommen, als sie geben müssen. Hoffentlich erkennen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber und insbesondere das Medienmanagement endlich den besonderen Nutzen ihrer Praktikanten auch monetär an.

Mein Fazit:

Während beim beruflichen Einstieg nicht so sehr das Gehalt, sondern andere Kriterien wie Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Image des Unternehmens, internationale Einsatzmöglichkeiten, Work-Life-Balance, kooperativer Führungsstil oder Freiräume für selbständiges Arbeiten im Vordergrund stehen sollten, ist es bei Praktikantenjob ganz anders:

Praktika zum Nulltarif sollten der Vergangenheit angehören. Auch darf es keinen Unterschied mehr zwischen Pflicht- und freiwilligem Praktikum geben. Es sollten einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für alle Formen des Praktikums geschaffen werden. Derzeit gelten Praktikanten nicht als Arbeitnehmer, sondern als Lehrlinge (BGH). Es werden Rechte und Pflichten von Praktikanten im Bundesbildungsgesetz (BBiG), im Mindestlohngesetz (MiLoG), im Sozialgesetzbuch (SGB) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Wahrlich ein Verhau …

Mehr dazu hier:
D. Lippold: Personalmanagement und High Potentials. Top-Talente finden und binden, Berlin/Boston 2021

Jetzt den PERSONALintern-Newsletter abonnieren

Personalveränderungen +++ Fachbeiträge +++ Termine +++ Stellenangebote
 

Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

Kommentare:

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!


Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren:

Login

Lesen Sie mehr zum Thema:

verwandte Artikel werden geladen...

Bitte warten, Verarbeitung läuft ...