Kolumne von Prof. Dr. Dirk Lippold Personalmanagement und High Potentials – Jäger und Gejagte unserer Tage
Die Gewinnung und Bindung von Hochleistern ist der grundlegende Beitrag des Personalmanagements zur Wettbewerbsposition und zur Produktivität des eigenen Unternehmens. Manchmal kann man sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, dass High Potentials die allerwichtigste Zielgruppe unserer Unternehmen sind – wichtiger als die Kunden …
Und noch eine weitere Besonderheit: Während ein „normaler“ Bewerber um den angestrebten Job ganz schön „kämpfen“ muss, ist es bei den High Potentials ganz anders. Da diese besonders qualifizierten Bewerber zumeist die Wahl zwischen den Angeboten mehrerer Unternehmen haben, können sie auch besonders selbstbewusst bei ihrer Arbeitsplatzwahl auftreten. Somit stehen sich auf dem Arbeitsmarkt für High Potentials zwei Partner „auf Augenhöhe“ gegenüber.
Jäger und Gejagte auf Augenhöhe
Um in diesem Wettbewerb um die Besten erfolgreich zu bestehen, müssen Personaler geeignete Bewerber quasi als Kunden genauso umwerben wie potenzielle Käufer von Produkten und Dienstleistungen. Daher ist auch die Übertragung von Begriffen wie Positionierung, Segmentierung, Kommunikation oder auch Branding, die allesamt ihren Ursprung und ihre konzeptionellen Wurzeln im klassischen Marketing haben, auf das Personalmarketing eine wichtige Grundlage für den erfolgreichen „War for Talents“.
High Potentials werden heute von Unternehmen umworben, noch bevor sie die Hochschulausbildung abgeschlossen haben. Somit kann auch eine Zusammenarbeit mit den Kandidaten zum Beispiel während eines Praktikums oder im Rahmen einer Masterarbeit frühzeitig Top-Talente an das Unternehmen binden.
Weil solche Talente mittlerweile über fundierte Netzwerke in den sozialen Medien verfügen, sind sie über konventionelle Recruiting-Kanäle wie Stellenanzeigen kaum zu erreichen.
Die Wahrscheinlichkeit ist höher, High Potentials zu gewinnen, wenn ein Erstkontakt über persönliche Kontakte durch Alumni, ein Alumni-Netzwerk, bei Tagungen, Vorträgen bei Absolventen- oder Karrieremessen oder organisierten Recruiting-Events hergestellt wird.
Unternehmen sind dann gut aufgestellt, wenn sie auf solche – früher durchaus als unkonventionell bezeichnete – Herausforderungen eine Antwort haben.
Doch was ist eigentlich ein High Potential? Und vor allen Dingen: Wer ist eigentlich ein High Potential?
Fragt man eine Hochschulabsolventin mit einem guten Abschlusszeugnis, dann sieht sich diese in aller Regel als High Potential. Fragt man einen Junior-Berater bei McKinsey oder BCG, so ist dieser ebenfalls davon überzeugt, ein Top-Talent zu sein. Eine Mitarbeiterin aus dem Talent Pool der Allianz oder der Deutschen Bank ist ebenfalls davon überzeugt, dass sie ein High Potential ist.
Der Unterschied ist ganz einfach
Unternehmen suchen ständig nach Fachkräften mit überdurchschnittlichen Abschlüssen. Doch was ist der Unterschied zwischen qualifizierten Fachkräften und hochqualifizierten Top-Talenten? Die Antwort darauf lässt sich auf höchst einfache Weise geben:
Während qualifizierte Fachkräfte die Basis für den Unternehmenserfolg darstellen, sollen hochqualifizierte Top-Talente, also High Potentials, einmal in die oberste Leitungsebene aufsteigen und den Kurs des Unternehmens vorgeben oder zumindest mitbestimmen.
Das Finden und das Binden der High Potentials ist daher bei vielen Unternehmen in den Mittelpunkt des Personalmanagements gerückt. Ob als Talents, High Potentials oder als Leaders of Tomorrow bezeichnet, nahezu alle größeren und international agierenden Unternehmen entwerfen derzeit Programme, um die Zielgruppe der High Potentials finden, adäquat fördern und binden zu können.
Der Vergleich mit den Bienen klärt auf
Zurück zur Unterscheidung zwischen qualifizierten Fachkräften – also gewissermaßen den Arbeitsbienen in einem Bienenstock – und den hochqualifizierten Top-Talenten, die hier die Bienenköniginnen darstellen. Doch während man in dieser Metapher die Arbeitsbienen von der Bienenkönigin sehr leicht unterscheiden kann, ist es im Businessbereich nicht so einfach.
Nur Performance reicht nicht
Zur Identifizierung von High Potentials werden immer wieder die Ergebnisse einer Studie der Harvard Business School aus dem Jahre 2010 herangezogen. Danach sind es etwa drei bis fünf Prozent aller Beschäftigen, die zur Gruppe der High Potentials gehören. Nach den Erkenntnissen der Forschenden müssen High Potentials
- Spitzenleistungen zeigen und dabei glaubwürdig sein,
- Vertrauen und Sicherheit vermitteln,
- über eine hohe emotionale und soziale Kompetenz verfügen,
- sich auch in angespannten Arbeitssituationen stets korrekt verhalten,
- instinktiv um ihre Vorbildfunktion wissen,
- durch einen außerordentlichen Willen zum Erfolg angetrieben sein,
- mehr Unternehmergeist als andere Mitarbeiter zeigen,
- neue Ideen entwickeln und alles daransetzen, diese auch erfolgreich umzusetzen,
- neue innovative Wege ohne Versagensangst gehen,
- keine Herausforderungen scheuen,
- über herausragende psychische Fähigkeiten verfügen.
Es genügt also nicht, eine hervorragende Performance zu zeigen und fehlerfrei zu arbeiten. Wichtig ist eine hohe Glaub- und Vertrauenswürdigkeit im Mitarbeiter- und Führungskreis. Wer es nicht schafft, andere zu überzeugen und mit ihm gemeinsam für eine Sache zu arbeiten, der wird an der Spitze keinen Erfolg haben.
Hier erfahren Sie noch viel mehr über High Potentials:
D. Lippold: Personalmanagement und High Potentials. Top-Talente finden und binden, Berlin/Boston 2021.
Über die Person
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.
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