Kolumne von Tiziana Bruno Leise Ladies – Die Unterschätzten im Arbeitsalltag

Wir kennen sie alle: die Kollegin, die still im Hintergrund die Fäden zusammenhält, Projekte termingerecht abschließt und sich immer zuverlässig einbringt, wenn es um Aufgaben geht, die niemand übernehmen möchte: „Jemand muss sie ja machen“. Sie glänzt durch Expertise und Engagement.
Doch wenn es darum geht, eigene Erfolge sichtbar zu machen oder Anerkennung zu bekommen, tritt sie zurück – nicht unbedingt aus Unsicherheit, sondern weil sie glaubt, dass ihre Leistung für sich sprechen sollte: „Die anderen sehen doch, was ich alles mache!“ Außerdem steht sie nicht gerne im Mittelpunkt – erst recht nicht, wenn die Gefahr besteht, arrogant zu wirken.
Fleißige-Bienchen-Modus
Dieses Phänomen nenne ich das „Fleißige-Bienchen-Verhalten“: Viele leise Ladies arbeiten hart, vermeiden jedoch bewusst das Rampenlicht. Sie konzentrieren sich auf die Qualität und den Inhalt ihrer Arbeit und empfinden Selbstmarketing oft als unnatürlich oder unangenehm.
Doch diese Zurückhaltung birgt auch Risiken: Ihre Leistung wird nicht nur übersehen, sondern oft sogar als selbstverständlich wahrgenommen.
Dadurch verpassen sie mögliche Chancen auf Anerkennung, bekommen kaum strategisch wichtige Aufgaben und schon gar keine Beförderungen. Denn die Stillen werden oft unterschätzt – und das völlig zu Unrecht.
Dieser fleißige-Bienchen-Modus ist nicht nur schwächend für leise Ladies, sondern auch eine verpasste Chance für Unternehmen. Denn wer nur lautstarke Persönlichkeiten belohnt, übersieht die stillen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, die mit ihrer Empathie, Reflexionsfähigkeit und Expertise entscheidende Impulse setzen könnten.
Es liegt an Führungskräften und HR-Profis, eine Arbeitskultur zu schaffen, in der auch leise Stimmen gehört und geschätzt werden. Doch ebenso liegt es auch an den Ladies selbst, den ersten Schritt zu wagen und ihre Stärken sichtbar zu machen – auf ihre eigene, authentische Weise.
Die Zukunft sollte nicht nur denen gehören, die am lautesten schreien, sondern auch denen, die mit Bedacht handeln. Bitte überlasst die Bühne nicht den Blendern!
Das Muster ändern
Die gute Nachricht: Dieses Muster lässt sich verändern – sowohl auf individueller Ebene als auch durch gezielte Unterstützung durch Führung und HR.
- Für leise Ladies selbst: Es gibt so viele Möglichkeiten, die eigene Arbeit und Kompetenz authentisch sichtbar zu machen, ohne sich verbiegen zu müssen oder als arrogant rüberzukommen.
- Für HR und Führungskräfte: Der Schlüssel liegt darin, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Introvertiertheit auch als Stärke sieht, statt das über viele Jahrzehnte alte und gesellschaftlich tief verankerte Bild zu pflegen: eine Führungsperson muss dominant und laut sein.
Introvertierte Personen sollen nicht plötzlich laut oder aufdringlich sein, um wahrgenommen zu werden. Es gibt viele Wege, die eigene Leistung auf eine Weise sichtbar zu machen, die zum eigenen Stil passt.
Tipps to go:
- Erfolge strategisch kommunizieren und sich klar als Expertin positionieren: Statt die eigenen Leistungen dem Zufall zu überlassen, können sie gezielt in Gesprächen oder Berichten eingebracht werden – sei es in regelmäßigen Meetings oder in Einzelgesprächen mit den Vorgesetzten.
- Selbstbewusstsein stärken: den eigenen Wert erkennen und auch mal „nein“ sagen können, wenn wieder unliebsame Aufgaben abgeschoben werden und sich nicht als „das Mädchen für alles“ positionieren.
- Die Stärke der schriftlichen Kommunikation nutzen: Viele Introvertierte fühlen sich sicherer, wenn sie ihre Gedanken in schriftlicher Form präsentieren. Dies kann durch gut vorbereitete E-Mails oder Berichte über erfolgreiche Projekte umgesetzt werden.
- Netzwerke aufbauen: Auch wenn introvertierte Ladies oft wenige, dafür tiefere Beziehungen bevorzugen, können sie diese gezielt nutzen, um sich im Unternehmen oder in ihrem beruflichen Umfeld zu positionieren.
- Klarer einfordern: Als eher leisere Lady den Mut haben, auch bei Gegenwind nicht gleich aufzugeben und hartnäckig freundlich dranzubleiben.
Für HR und Führungskräfte: Vielfalt von unterschiedlichen Persönlichkeiten anerkennen
Unternehmen profitieren enorm von einer Unternehmenskultur, die leise Stimmen nicht nur toleriert, sondern bewusst stärkt. Hier liegt die Verantwortung bei HR und den Führungskräften:
- Sichtbarkeit fördern: Führungskräfte können introvertierte Mitarbeitende aktiv ermutigen, ihre Beiträge zu teilen und können Erfolge anerkennen. Gerade bei introvertierten Personen kann ein gezieltes positives Feedback in Meetings oder die Ermutigung, sich etwas mehr zu zeigen den Unterschied machen.
- Stille Talente fördern: Introvertierte Führungspersönlichkeiten agieren oft kooperativ und besonnen. Unternehmen sollten diese Qualitäten genauso anerkennen und fördern wie extrovertierte, durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeiten.
- Mentoring und Coaching anbieten: Programme, die introvertierte Ladies stärken, sich selbstbewusst und authentisch zu präsentieren, unterstützen nicht nur die Frauen, sondern bauen langfristig auch eine Unternehmenskultur auf, die viele unterschiedliche Persönlichkeiten von Experten anzieht.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr sich manche Führungskräfte echauffieren, dass die leisen Mitarbeiter so wenig sagen, wenig von sich preisgeben und nicht aus sich rauskommen wollen. Meine Antwort in diesem Falle:
„Das ist keine bewusste Schikane gegen dich, sondern so tickt die Person eben.“
Und wenn ich mir als Gesprächspartner dessen bewusst bin, dass nicht jeder so denkt und handelt wie ich selbst, haben wir die Chance, weniger Spannungen, Missverständnisse oder sogar Konflikte anzuzetteln.
Über die Person
Tiziana Bruno ist seit 25 Jahren Trainerin und Coach zu den Themen Führung, Veränderung und Persönlichkeit, Bestseller-Autorin und Podcasterin „LEISE LADIES“. Mit ihrer Arbeit unterstützt sie Führungskräfte und Mitarbeitende, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern und ihre Führungs-Persönlichkeit zu stärken. Sie lebt mit Ihrem Ehepartner in München und hat drei Söhne.
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