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Impulse aus der Enkelfähigkeit®-Akademie: Interview mit Dr. Gabriele Castegnaro „Go with the flow and look to the horizon” – Mit Klarheit, Ehrlichkeit und Respekt
Sie haben fast 20 Jahre lang als Mitglied einer der Eignerfamilien in der Geschäftsführung des bekannten Modegeschäfts Konen gearbeitet. Worin liegen Ihrer Erfahrung nach die wesentlichen Unterschiede zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen?
Familienunternehmen arbeiten meist mit einem deutlich längeren Horizont für ihre Ertragssicherung. Die Verantwortlichen denken in der Regel über Generationen hinweg im Sinne des dauerhaften Bestands des Unternehmens. Es gibt viele stolze Firmen, die in der dritten, vierten, fünften Generation sind. Kurzfristige Gewinnmaximierung steht nicht im Zentrum des Handelns, analog dazu wird in den meisten Fällen auch die Personalpolitik gemacht.
Im Vergleich zu den Siemens und VWs dieser Welt sind Familienunternehmen zudem „kleine Boote“, die sich schneller bewegen können und die auch eine Kulturtransformation vergleichsweise schnell und ressourcenschonend vollziehen können. Oft verbunden ist das in Familienunternehmen mit einer starken emotionalen Bindung zum Management. In vielen größeren Konzernen wechseln die Vorstandsmitglieder so schnell, dass es kaum Sinn macht, sich die Namen zu merken. So kann keine Bindung entstehen.
Sie waren selbst unter anderem für den Personalbereich zuständig. Welche Vorzüge bieten Familienunternehmen speziell Personalmanagern?
Für mich hat es fast nur Vorteile – mit einer kleinen Einschränkung: Wenn die Chemie zur Unternehmensleitung / Familie stimmt. Wenn da die Werte geteilt werden, bekommt man sehr viel Freiheit und Gestaltungsspielraum. Hintergrund: In der Regel haben operativ tätige Familienmitglieder selbst bestimmte Bereiche, in denen sie stark sind. Bei mir war es durch meinen Background als Anwältin die rechtliche Seite. Andererseits ist man immer dankbar, wenn man jemanden hat, der sich in einem bestimmten Bereich top auskennt.
Gerade als Personaler hat man meistens einen tollen Stand, wenn man der Chefin oder dem Chef den Eindruck vermitteln kann: Ich nehme dir das ab.
Allerdings: Familienunternehmen muss man auch ein Stück weit danach unterscheiden, ob Familienmitglieder in der Geschäftsleitung sitzen oder Fremdmanager. Was Fremdmanager angeht, ist es – schon was Werte und Horizonte angeht – etwas anderes, als wenn da jemand sitzt, der in vierter Generation ein Unternehmen in die fünfte führen möchte. Fremdmanager sind in der Regel ein paar Jahre da und müssen sich verständlicherweise auch ein Stück weit um ihr Überleben in der Firma kümmern. Ich hatte in meiner Zeit als jemand in dritter Generation keine ernsthafte Sorge davor, dass ich gekündigt werden könnte. Da habe ich mit anderer Souveränität gehandelt.
In den meisten Branchen und unabhängig von ihrer Größe sind Unternehmen aktuell mit Transformationsaufgaben und einem Fachkräfte-, aber auch Auszubildendenmangel konfrontiert. Wo können Familienunternehmen da punkten?
Wir können nicht die Einwanderungspolitik ändern, wir können die demografischen Bedingungen nicht ändern, wir können aber unseren eigenen Wettbewerbsvorteil sichern. Die Arbeit an der Kultur und die Arbeit an sich selbst als Unternehmensverantwortliche ist hier für mich die ressourcenschonendste und am meisten erfolgversprechende Herangehensweise.
Wenn eine gute Kultur und eine positive Arbeitsatmosphäre als Rahmen vorhanden sind, in dem Menschen gerne arbeiten, dann haben Sie zu 80 Prozent gewonnen.
Dann gelingen Transformationsprojekte reibungsloser und meiner Erfahrung nach brauchen Sie sich dann auch um die Mitarbeitergewinnung fast keine Sorgen mehr zu machen. Dann läuft es auch mit dem Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter fast von selbst.
Bei jungen Menschen ist zudem durch die vielfältigen Krisen der letzten Jahre und Monate ein Sicherheitsbedürfnis hinzugekommen. Nicht zuletzt deshalb sind aktuell auch Behörden bei dieser Zielgruppe als Arbeitgeber sehr beliebt. Ich bin überzeugt: Als kleines oder mittelständisches Familienunternehmen können Sie sich mit einer gelebten „Employee Sustainability“ am Arbeitsmarkt abheben. Nach dem Motto: ‚Uns gibt es schon seit vier Generationen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es auch eine fünfte gibt‘.
Veranstaltungshinweis: "Führungskultur gegen Fachkräftemangel"
Veranstalter: Enkelfähigkeit®-Akademie
Datum / Zeit: 20. September 2024, 10.00 bis 18.00 Uhr
Ort: Düsseldorf
Referentin: Dr. Gabriele Castegnaro
Inhalt: Der Fachkräftemangel ist für viele Unternehmen und Führungskräfte eine zentrale Herausforderung, bei der bisherige Führungsmethoden, Denkweisen und „Tools“ nicht mehr greifen. Eine neue, dennoch konsistente und zum Unternehmen passende Herangehensweise ist notwendig geworden, um das Unternehmen innovativ und zukunftsfähig aufzustellen. Hier bewegen sich viele Unternehmer und Führungskräfte aktuell in der herausfordernden Lage, dass sie einerseits mit den weiter steigenden Erwartungen der eigenen Mitarbeitenden und der (wenigen) Bewerber konfrontiert sind, andererseits hohem Kosten-, Anpassungs- und Innovationsdruck ausgesetzt sind – und sich dabei häufig an der persönlichen Belastungsgrenze bewegen.
Wie Sie sich als Unternehmer und Führungskraft auf dem hart umkämpften Fachkräftemarkt die entscheidenden Wettbewerbsvorteile verschaffen, und wie Sie, passend zu Ihrer Branche und ihrer Marke, ein Umfeld gestalten können, in dem Mitarbeiterbindung, -gewinnung und -motivation gelingt, verrät Ihnen Dr. Gabriele Castegnaro, die sich in den Jahrzehnten ihrer Tätigkeit an der Spitze des Familienunternehmens mit großem Erfolg diesen Themen gewidmet hat.
Weitere Informationen zu den Inhalten und zur Anmeldung finden Sie hier.
Was verstehen Sie unter dem Begriff „Employee Sustainability“?
Für mich ist „Employee Sustainability“ eng verknüpft mit dem Begriff der „Enkelfähigkeit“. Es geht schlicht um Nachhaltigkeit im Management der Menschen, die im Unternehmen arbeiten, um das Ganze über Generationen aufzubauen, zu erhalten und immer wieder weiterzuentwickeln.
„Employee Sustainability“ bedeutet für mich auch das Bemühen, Menschen nach Talenten und Fähigkeiten einzusetzen und entsprechend zu fördern, weiterzuentwickeln und Angebote zu machen.
Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollten Personalverantwortlichen die Bereitschaft und Fähigkeit haben zu fragen: Wer ist denn an welchem Platz richtig? Gehört die Person wirklich ins Marketing oder ist sie nicht viel glücklicher in der Logistik?
Da gibt es oft noch ein kurzfristiges Denken, das mich manchmal ärgert. Wenn beispielsweise im Zuge einer Transformation zu viele Menschen das Unternehmen verlassen oder entlassen werden, dann habe ich mit Zitronen gehandelt, wenn kurze Zeit darauf wieder Mitarbeitende akquiriert werden müssen. Dann habe ich schnell und vor allen Dingen dumm gehandelt.
Eine gute Kultur und positive Arbeitsatmosphäre sind für Sie mit welchen Werten und Verhaltensweisen verbunden?
Bezogen auf die Kultur spielen für mich drei menschliche Grundwerte im Miteinander eine zentrale Rolle: Klarheit, Ehrlichkeit und Respekt. Diese Werte wirken zunächst selbstverständlich. Sie wirklich zu leben erfordert allerdings Kompetenz, die allerwenigsten haben das früh gelernt. In der Familie, im Schulsystem und so weiter kommt diese Art des Umgangs meist nicht wirklich vor.
Führungskräfte sollten sich beispielsweise fragen: Wie kann ich einen Mitarbeiter mit einer positiven und wertschätzenden Grundhaltung darauf aufmerksam machen, dass er eine bestimmte Verhaltensweise unterlassen sollte?
Um dahin zu kommen, sind oft entsprechende Schulungsmaßnahmen notwendig. Die nutzen allerdings alle perspektivisch nichts, wenn das gewünschte Verhalten nicht vom Management vorgelebt wird. Eine Personalabteilung, eine Personalreferentin kann diese Kulturarbeit sicher nicht alleine bewerkstelligen.
Wo liegen aus Ihrer Sicht typische Schwächen im System eines Familienunternehmens?
Klarheit ist in vielen Familienunternehmen viel zu wenig ausgeprägt. Vieles passiert auf Zuruf und nach dem Motto: Wir wissen doch, wer was weiß. Ich bin überzeugt: Ein Unternehmen braucht Klarheit hinsichtlich der Rollen und in der Kommunikation. Es muss klar sein, wer für was verantwortlich ist. Das hat auch etwas mit Respekt zu tun, jemandem einen Rahmen zu geben. Was darf ich? Was muss ich? Was soll ich? Zudem gilt des oftmals deutlicher zu vermitteln, was erwartet wird. Keine Schlupflöcher und kein 'Könnte, sollte, wäre…'
Wenn das nicht gemacht wird, ist es ressourcenvernichtend, unnötig und nicht respektvoll.
Und: Es gibt ein gewisses Risiko, und das habe ich selbst erlebt, dass man sich als Familienmitglied in der Unternehmensleitung selbst überschätzt. Wenn man nicht aufpasst, gewinnt man selbst den Eindruck: Es liegen einem alle zu Füßen und finden alles toll, was man sagt. Es braucht viel Demut, Reflexion, aber auch viel persönliche Reife, um dann auch Feedback anzunehmen. Ich war beispielsweise sehr froh darüber, ziemlich strenge Coaches zu haben, die mich auch emotional erreicht haben. Die haben mir gesagt: Gabi, du verhältst dich manchmal wie eine Diva. Da bist du zu unnahbar, dort zu streng. Das war mir zu dem Zeitpunkt alles nicht klar, ebenso wenig, dass ich vieles zu persönlich genommen habe.
Was haben Sie daraus für sich selbst gelernt?
Ich versuche möglichst oft nach dem Motto zu handeln: ‚Go with the flow und look to the horizon.‘ Sieh zu, dass du jetzt nicht unnötig kämpfst. Dass du nicht gegen die Leute gehst – das ist für dich anstrengend, das ist für die Leute anstrengend. Stattdessen: Schau hin und hör zu, was die Menschen wirklich wollen, wo die stehen, was sie erwarten und schau auf deinen Horizont, auf die Unternehmensziele, und mach dir Gedanken, wie du ihre Wünsche am besten mit diesen Zielen vereinbaren kannst, um zu einer Win-win-Lösung zu kommen.
Das Interview führte Alexander Kolberg.
Über die Person
Dr. Gabriele Castegnaro ist Unternehmerin, Speakerin und Rechtsanwältin. Als sie Anfang der 2000er Jahre – ungeplant und zunächst gegen den Rat ihrer Eltern – nach 7 Jahren erfolgreicher Anwaltstätigkeit in das Familienunternehmen einstieg, war sie „über Nacht“ Führungskraft für fast 1000 Mitarbeiter. Sie hat die renommierten Konen Bekleidungshäuser mit Sitz in München und Luxemburg werteorientiert durch mehrere tiefgreifende Change-Prozesse geführt. Unter anderem verantwortete sie die... mehr
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