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Interview mit Manuel Fink Fehlzeiten: aktuelles Rekordniveau ist eine Kumulierung von mehreren Faktoren

Deutschland befindet sich im Krankenstand. Noch nie waren so viele Stellen unbesetzt und Mitarbeitende arbeitsunfähig. Manuel Fink hat sich in einem Buch mit dem Thema auseinandergesetzt. Sein Fazit: Hohe Fehlzeiten haben nicht nur mit schlechter Gesundheit, sondern auch mit schlechter Führung zu tun. Wir haben darüber mit ihm gesprochen.

"Fehlzeiten sind kein reines Gesundheitsthema – sie sind auch ein Führungs- und Kommunikationsthema", sagt Manuel Fink. (Bild: Jonas Neugebauer)

Wie kommt es, dass Sie ein Buch zum Thema „Fehlzeiten aktiv managen“ geschrieben haben? Woher rührt Ihr Interesse?

Manuel Fink: Ich arbeite seit 25 Jahren in der Personaldienstleistung, einer Branche, in der 80 Prozent vom Umsatz Lohnkosten sind und man lernt, wie man Mitarbeitende motiviert und bindet. In der Zusammenarbeit mit hunderten Kundenunternehmen aus Handwerk, Dienstleistung und Industrie, sowie meinen Qualifizierungen zum Trainer für Erwachsenenbildung, Business Coach und Industrial Engineer, lernte ich die unterschiedlichsten Herangehensweisen zum Thema Motivation, Produktivität, Führung und Fehlzeiten kennen. Dabei wurde mir klar: 

Fehlzeiten sind kein reines Gesundheitsthema – sie sind auch ein Führungs- und Kommunikationsthema. 

Und nachdem ich bereits vor zwölf Jahren ein Buch über die wichtigsten sozialen Kompetenzen einer Führungskraft geschrieben habe, wollte ich nun meine Expertise zum Fehlzeitenmanagement teilen.

Der Krankenstand in Deutschland ist auf einem Höchststand, auch im Vergleich zu anderen Ländern. Wie kommt es dazu? Warum sticht Deutschland hier heraus?

Manuel Fink: Die Antwort ist nicht so einfach, da die Fehlzeiten in Deutschland bereits seit 2008 kontinuierlich ansteigen. Das aktuelle Rekordniveau ist eine Kumulierung von mehreren Faktoren: Zum einen steigen die Abwesenheiten aufgrund Atemwegserkrankungen. Heute bleibt man eher mit einem Schnupfen wegen möglichen Ansteckungsgefahren zuhause als vor der COVID-19 Pandemie. Zudem steigen aufgrund unserer alternden Gesellschaft die Ausfälle aufgrund von Verschleißerscheinungen. 

Unser Arbeits- und Fachkräftemangel führt zu physischen und psychischen Mehrbelastungen, woraus wiederum krankheitsbedingte Ausfälle resultieren. 

Allein bei den psychischen Erkrankungen haben wir laut Psychreport DAK 2023 im Zehnjahresvergleich einen Anstieg der Arbeitsausfälle um 48 Prozent. Die vollständige digitale Erfassung und Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seit dem 01.01.2023 haben sicherlich einen Anteil an dem aktuellen Peak, auch wenn es leider keine Vergleichszahlen zur wirklichen Quantifizierung gibt. Und dann noch die bislang positive wirtschaftliche Situation. 

Denn der Krankenstand steht eindeutig mit der wirtschaftlichen Situation in Verbindung. In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren, wo Deutschland als „der kranke Mann Europas“ galt, ging der Krankenstand kontinuierlich zurück. Mit den Reformen der Agenda 2010 und dem Aufschwung nach der Finanzkrise 2008/2009, wurde die wirtschaftliche Situation besser und der Krankenstand stieg an. Und zu guter Letzt die Tatsache, dass wir im internationalen Vergleich mit die höchste Entgeltfortzahlung bieten. In vielen anderen Ländern sind Mitarbeitende stärker finanziell betroffen, wenn sie krankheitsbedingt ausfallen. Dies führt aber auch wieder zu mehr Präsentismus und anderen nachteiligen Erscheinungen.

Es gibt aber auch Unternehmen und Teams, die einen sehr viel geringeren Krankenstand haben. Was machen solche Unternehmen anders?

Manuel Fink: Wir sehen zum Teil Unterschiede von bis 50 Prozent trotz vergleichbaren Arbeitsbelastungen. Diese Unternehmen managen Fehlzeiten und betriebliche Gesundheit genauso wie alle anderen Kennzahlen in Bereichen wie Qualität, Service, Financials oder andere wichtige Unternehmensprozessen.

Zudem sehen wir dort eine Kultur der Wertschätzung in Verbindung mit einem transparenten Erwartungsmanagement. 

Führungskräfte gehen offen auf die Mitarbeitenden zu, erkennen Belastungen frühzeitig und arbeiten gemeinsam an Lösungen. 

Auch hat dort zumeist die betriebliche Gesundheit einen höheren Stellenwert als bei anderen Unternehmen und es werden Rahmenbedingungen geschaffen, die Gesundheit fördern. 

Was sind Ihrer Erkenntnis nach dem wichtigsten Hebel, um Fehlzeiten zu reduzieren?

Manuel Fink: Der wichtigste Hebel ist die aktive, regelmäßige Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden – gerade auch zu schwierigen Themen wie Belastung, Zufriedenheit und Arbeitsumfeld. Fehlzeiten sinken spürbar, wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass ihre Sorgen ernst genommen werden und gemeinsam an Verbesserungen gearbeitet wird. Ergänzend sind klare Erwartungen, eine faire Aufgabenverteilung sowie Respekt und echte Wertschätzung entscheidend.

Ein sehr wichtiger Hebel ist es allen im Unternehmen die Transparenz über Fehlzeiten und deren Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Nur so schafft man das Problembewusstsein und das Verlangen nach Veränderung.

Sie empfehlen in Ihrem Buch, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitende aktiv darauf ansprechen, inwiefern der Arbeitsplatz / Job einen Anteil an ihrer Krankheit hat. Warum geschieht so etwas in den wenigsten Fällen?

Manuel Fink: Viele Führungskräfte scheuen diese Gespräche aus Angst, etwas "falsch" zu machen oder rechtliche Fehler zu begehen. Und ja, es gibt Fragen, die als Schutz von Persönlichkeitsrechten nicht gestellt werden dürfen - genauso wie in jedem Vorstellungsgespräch. Aber es gibt auch sehr viele Fragen und Möglichkeiten, um im Dialog an den Kern der Ursachen zu gelangen. Oft fehlt auch die Gesprächskompetenz oder der Mut, unangenehme Themen direkt anzusprechen. Dabei ist genau diese Offenheit der Schlüssel, um Ursachen für Fehlzeiten zu erkennen und zu beheben – bevor sich Probleme verfestigen und Konflikte immer weiter eskalieren.

Angesichts der zunehmend Schwierigkeiten Termine bei Ärzten zu bekommen, finden immer mehr Arztbesuche in der Arbeitszeit statt. Wie sollte man als Unternehmen damit umgehen?

Manuel Fink: Hier braucht es klare und zugleich faire Regelungen. Unternehmen sollten Mitarbeitende unterstützen, notwendige Arzttermine wahrzunehmen, zugleich aber auch darauf achten, dass der Rahmen nicht ausgenutzt wird. Eine gute Lösung ist es Arzttermine nach Möglichkeit auf Randzeiten zu legen. Flexibilität und Vertrauen sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren.

Viele große Unternehmen bieten Mitarbeitenden diverse Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge. Ist das Geld aus Ihrer Sicht hier richtig investiert, um Fehlzeiten präventiv zu verhindern?

Manuel Fink: Gesundheitsvorsorge ist ein wichtiger Baustein und wird weiter zunehmen. Maßnahmen wie Rückenschulungen, Sportangebote oder Resilienz Trainings können helfen Fehlzeiten zu reduzieren – wenn sie Teil einer umfassenden Kultur der Gesundheitsförderung sind. Ohne gute Führung und gesunde Arbeitsbedingungen entfalten solche Angebote allerdings oftmals nicht ihre Wirkung.

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In Ihrem Buch stellen Sie unter anderem die R.U.F.- Methode vor, um ungeplante Fehlzeiten zu reduzieren. Was hat es damit auf sich? Für welche Unternehmen bietet sich die Methode an?

Manuel Fink: R.U.F. steht für „Reduzierung ungeplanter Fehlzeiten“ und hat seinen Ursprung im „Projekt RuF“ aus dem Jahr 2012. Das Projekt, das zunächst für neun Monate geplant war, entwickelte sich über die Jahre zu einer äußerst erfolgreichen Methode im Fehlzeitenmanagement, die einen doppelten Gewinn verspricht. 

Weil die Ergebnisse zum einen auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens einzahlen, zum anderen auf die mitarbeiterorientierten Aspekte, die sich beispielsweise in einer höheren Arbeitsmotivation, Steigerung der Gesundheit und der Unterstützung wirklich Erkrankter widerspiegeln. 

Richtig angewandt, führt sie nicht selten zu einer Halbierung des Krankenstandes und oftmals zu einer 20 bis 50 Prozent geringeren Krankenquote als der jeweilige Branchendurchschnitt. 

Start- und Ausgangspunkt der vier Elemente ist immer das R.U.F.®-Training. Hierbei wird das Bewusstsein geschaffen, dass ungeplante Fehlzeiten eine wichtige Führungsaufgabe und zudem beeinflussbar sind. Des Weiteren vermittelt es die wichtigsten Kompetenzen zum erfolgreichen Führen des Gesundheitsfördergesprächs. Die nächsten Schritte sind das gemeinsame Prüfen jeglicher Abwesenheitsgründe im R.U.F.®-Meeting, dann das kontinuierliche R.U.F.®- Controlling und die Kommunikation des Fortschritts, sowie das Führen des Gesundheitsfördergesprächs.

Die Methode eignet sich für alle Unternehmen, vom mittelständischen Handwerks- oder Industrieunternehmen bis zu großen Konzernen. Je nach Unternehmensgröße werden die Prozesse individuell angepasst beziehungsweise skaliert.

 

Über die Person

Nach einer klassischen Handwerksausbildung mit Meister- und Betriebswirtabschluss zog es Manuel Fink vor 25 Jahren in die Personaldienstleistung. Er hat die Qualifizierungen zum Industrial Engineer, Trainer für Erwachsenenbildung und Business Coach. Außerdem verfügt er über Erfahrungen aus Kontakten mit hunderten Kundenunternehmen.

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