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Kolumne Bernhard Muhler Die sechs Säulen einer adaptiven Organisation: Wie man adäquate Organisationsstrukturen für den Dauerwandel aufbaut

Seit Jahrzehnten prägen hierarchische Strukturen, langfristige Planungen und routinierte Abläufe mit klaren Rollenbeschreibungen das Arbeitsumfeld vieler Unternehmen. Diese Ansätze stammen aus der industriellen Ära und funktionierten gut unter stabilen Bedingungen. Doch die moderne Geschäftswelt ist so eng miteinander vernetzt, dass Krisen nur noch selten einen einzelnen Sektor oder Markt betreffen, sagt Bernhard Muhler, Gründer und Geschäftsführer der BludauPartners Executive Consultants GmbH.

Säulen haben die Aufgabe, als Fundament für oft Wichtiges zu dienen. Das war bereits bei den alten Ägyptern so. (Bild: picture alliance / imageBROKER | Unai Huizi)

Parallel dazu ändern sich Kundenbedürfnisse fast so schnell, wie unsere Technologie voranschreitet. Durch die anhaltende Disruption resultiert ein kontinuierlich wachsender Anpassungsdruck, der präzise langfristige Planungen immer häufiger obsolet macht. Wie können Organisationen diesen Umständen gerecht werden und in unsicheren Zeiten erfolgreich und zukunftsfähig bleiben?

Wandel und Tempo

Je dichter frequentiert Disruptionen auftauchen, umso erfolgsentscheidender ist es nicht nur, anpassungsfähig zu sein, sondern eben auch reaktions- und handlungsschnell. Denn alle Adaptivität nutzt am Ende nichts, wenn die eigentliche Anpassung so lange dauert, dass der ursprüngliche Change-Bedarf bereits überholt wurde.

Organisationen müssen in kürzester Zeit dazu in der Lage sein, kommende Veränderungen zu antizipieren, Chancen zu erkennen und Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei stellen sich hierarchische Systeme häufig als Tempobremse heraus. Zum einen erfordert eine Kontrolle der Führungsetage Zeit und Kapazität, zum anderen entstehen in diesem dynamischen Umfeld häufig neue (Teil-)Rollen, die innerhalb einer starren Abgrenzung von Zuständigkeiten erst einmal verteilt werden müssen.

Je volatiler das Umfeld, umso eher sollten sich Unternehmen also von der Vorstellung lösen, dass eine Führungskraft oder -etage stets alleine DIE eine gültige Antwort hat oder finden muss. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich so rapide und konstant, dass das ein einzelner Mensch schon lange nicht mehr leisten kann.

Verantwortung teilen

In vielen Situationen kann es einen erstaunlichen Mehrwert bringen, ein Stück Verantwortung an die eigenen Mitarbeitenden abzugeben oder zumindest Impulse und Bedürfnisse aus der Belegschaft zu berücksichtigen. Denn Angestellte sind in aller Regel ohnehin besser mit den Einzelheiten des operativen Geschäftes vertraut und müssen die Transformation letzten Endes tragen.

Dazu ist jeder Mensch tendenziell engagierter an Prozessen beteiligt, wenn er oder sie daran aktiv teilhaben kann. Auf die Einbindung der Mitarbeitenden sollte also ein unbedingtes Augenmerk gelegt werden! Bill Anderson, CEO der BAYER AG, führte dieses Jahr beim deutschen Traditionskonzern ein neues Organisationsmodell ein (Dynamic Shared Ownership oder kurz: DSO).

Teams sollen sich zukünftig eigens organisieren und 95  Prozent der Entscheidungen selbst treffen (unter anderem woran sie arbeiten und wofür), viele Führungskräfte mussten gehen. Dies soll einerseits bis 2026 zwei Milliarden Euro an Betriebskosten einsparen und andererseits zu einer wesentlich höheren Entscheidungsgeschwindigkeit und einem deutlich stärkeren Kunden- und Produktfokus führen. Man darf gespannt auf die nächsten Bilanzberichte warten.

Aller Anfang ist schwer

Die Transformation zu einer adaptiven Organisation erfordert meist einen tiefgreifenden Kulturwandel. Dabei ist es essentiell, die eigenen Strukturen und Prozesse selbstkritisch zu hinterfragen. Führungskräfte müssen als Vorbilder agieren und diesen Wandel aktiv vorleben, indem sie Vertrauen in ihre Teams setzen und Kontrolle abgeben. Eine klare Kommunikation der Vision und der Ziele der Transformation ist entscheidend, um alle Mitarbeitenden auf dem gleichen Stand zu halten und ihre Unterstützung zu gewinnen.

Ein zentraler Aspekt ist die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeitenden. Schulungen und Workshops können bei Bedarf technische Kompetenzen oder auch Soft Skills, wie zum Beispiel Kommunikation und Zusammenarbeit fördern. Regelmäßige Retrospektiven und Feedback-Schleifen helfen dabei, kontinuierlich zu lernen und sich zu verbessern. Darüber hinaus ist eine offene Fehlerkultur von unschätzbarem Wert, solange Fehler als Lernchancen betrachtet werden.

Dies fördert eine experimentierfreudige und innovative Arbeitsumgebung. Die Transformation zu mehr Agilität ist ein langfristiger Kulturveränderungsprozess, der häufige und kontinuierliche Anpassungen erfordert. Nur durch einen stetigen Wandel können Unternehmen flexibel und reaktionsschnell auf die Herausforderungen der modernen Geschäftswelt reagieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.

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Der Weg zur Adaptivität

Eine anpassungsfähige Organisation – also lernfähig, wandelbar und reaktionsschnell – sollte unbedingt den abteilungs- und bereichsübergreifenden Informationsfluss fördern sowie Experimente in kurzen Zyklen ermöglichen. Um die Belegschaft nicht zu überfordern, sollten hier tendenziell kleine Schritte gemacht und häufig Veränderungen durchgeführt werden.

Dies erfordert von Anfang an eine dementsprechend solide Kommunikation, die alle Betroffenen zunächst abholt: Deshalb wollen wir etwas verändern, da wollen wir hinkommen, das ist deine Rolle dabei. Unserer praktischen Erfahrung nach bilden folgende Aspekte die sechs Säulen einer adaptiven Organisation, die den Namen verdient. Das Fundament dafür bilden folgende sechs Säulen:

1. Zweck über Gewinn: Der Zweck muss über den Gewinn gestellt werden. Mitarbeiter und Investoren legen zunehmend Wert auf den Sinn und Zweck ihrer Arbeit und Investitionen.

2. Vernetzte Netzwerke: Isolierte Silos müssen durch vernetzte Netzwerke ersetzt werden, in denen Menschen verschiedene Rollen übernehmen können. Dies fördert den Austausch und die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg.

3. Schnelles Lernen: Planung behindert die notwendige Anpassungsfähigkeit. Schnelles Lernen, häufiges Feedback und Tests sind nützlicher als detaillierte Pläne. Dies betont die Notwendigkeit von Emergenz anstelle von starren Planungen.

4. Flexibilität und Effizienz: Effizienz bleibt wichtig, aber sie sollte nicht als einziges Kriterium betrachtet werden. Flexibilität erleichtert Verbesserungen und erhält daher zunehmende Anerkennung.

5. Autonomie und Selbstermächtigung: Kontrolle behindert die Produktivität. Autonomie und Selbstermächtigung sind in der heutigen Arbeitswelt wichtiger, insbesondere in Zeiten von Remote-Arbeit und stärkenorientierten Führungsansätzen.

6. Transparenz und Informationsfluss: Informationen müssen fließen und Entscheidungen verbessern. In einer Welt, in der Veränderungen häufiger auftreten, ist Vorhersehbarkeit schwer zu erreichen. Transparenz in Informationen und Prozessen innerhalb einer Organisation erhöht sowohl das interne als auch das öffentliche Vertrauen.

 

Über die Person

Bernhard Muhler ist Gründer und Geschäftsführer der renommierten BludauPartners Executive Consultants GmbH und verantwortet den Bereich Executive Development. Er gilt als ein führender Berater im Changemanagement und der Organisationsentwicklung und berät zahlreiche Unternehmen in Deutschland und Europa.

Kommentare (1):

  1. Thomas Seidel am
    Vielen Dank für den sinnvollen Beitrag, Herr Muhler. Eine adaptive, agile, "veränderungsfreudige" Kultur zu schaffen, ist nämlich eigtl gar nicht schwierig. Dies scheitert meist nicht an der Frage, WIE (den Weg beschreiben Sie mE sehr zutreffend), sondern OB man es macht. Denn der relative Machtverlust, der damit einhergeht, hindert die meisten Führungskräfte an der konsequenten Umsetzung.
    Doch wird diese "Entmachtung" von Führungskräften bzw. diese "Ermächtigung" von Teams ganz natürlich stattfinden: weil a) die Gen Z dies schrittweise einfordert und selbst nicht ausgeprägt "führungsaffin" ist und weil b) durch die allmähliche Verrentung der Baby-Boomer schon allein demographisch die Zahl der Führungskräfte sinken wird.

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