Personalthema (Ausgabe 18/23) Den Personalabbau fair gestalten

Aktuell müssen nicht wenige Konzerne und Mittelständler aufgrund der großen Marktveränderungen Personal abbauen. Häufig engagieren sie als Unterstützer in diesem Prozess externe Berater – auch um den Betriebsfrieden zu bewahren. Ein Praxisbeispiel!

Mann nach Kündigung (Bild: picture alliance / Westend61 | Jose Carlos Ichiro)

Bei betriebsbedingten Kündigungen sollte ein fairer Umgang mit den betroffenen Mitarbeitern erfolgen. (Bild: picture alliance / Westend61 | Jose Carlos Ichiro)

Im Sommer 2022 stand ein mittelständisches Unternehmen vor der Alternative: Entweder wir senken unsere Kosten oder wir müssen bald unsere Pforten schließen – unter anderem aufgrund der gestiegenen Energiepreise und des gesunkenen Auftragsvolumens. Also stellte die Geschäftsleitung alle Sachausgaben auf den Prüfstand. Was entbehrlich war, wurde gestrichen. Doch dies allein genügte nicht. Deshalb reifte in der Unternehmensleitung die Erkenntnis: Wir müssen etwa 20 Prozent unserer circa 240 Mitarbeiter entlassen.

Ein Drehbuch für den Trennungsprozess schreiben

Leicht fiel der Geschäftsleitung des Familienunternehmens diese Entscheidung nicht – auch, weil sie befürchtete:

Wenn wir in größerem Umfang Mitarbeiter entlassen, zerstört dies unsere von einem starken Wir-Gefühl geprägte Unternehmenskultur.

Deshalb beschloss sie: Wir arbeiten mit einem Beratungsunternehmen zusammen, das

  • uns hilft, den Trennungsprozess aus Mitarbeitersicht fair zu gestalten und
  • die Entlassenen dabei unterstützt, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwerfen.

Als Partner wählte die Geschäftsleitung die unter anderem auf das Thema Turnaround spezialisierte Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal. Ihr Senior-Consultant Thomas Fischer entwarf mit dem geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens, dessen Personalleiter und drei eingeweihten Führungskräften ein Konzept für den Kündigungs- und Trennungsprozess.

Parallel dazu wurden alle gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Instrumente zur Personalanpassung ohne Entlassungen (z. B. Altersteilzeit, Teilzeitarbeit oder interne Versetzungen) geprüft. Außerdem wurde der Betriebsrat informiert und mit ihm ein Sozialplan verhandelt. In dieser Phase waren alle Beteiligten noch zum Stillschweigen verpflichtet und unterschrieben eine entsprechende Erklärung.

Den Auftakt des offiziellen Kündigungs- und Trennungsprozesses bildete ein zweistündiges Meeting Anfang September 2022 mit der Führungsmannschaft des Unternehmens. In ihm informierte der geschäftsführende Gesellschafter alle Führungskräfte über das Programm zum Personalabbau und erläuterte ihnen dessen geplanten Ablauf. Außerdem erstellte er mit ihnen, unterstützt von den externen Beratern, eine Planung zum weiteren Vorgehen. Sie enthielt auch erste Absprachen darüber, wer, wann, mit wem, welche Gespräche wie führt.

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Die Betroffenen und ihre Vorgesetzten unterstützen

Circa eine Woche später informierte der geschäftsführende Gesellschafter alle Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung über den geplanten Personalabbau. Zudem teilte er ihnen mit, dass die Führungskräfte in den nächsten Tagen auf die Mitarbeiter zukommen würden, um persönliche Gespräche mit ihnen zu führen. In der Versammlung wurden der Belegschaft auch Thomas Fischer und zwei seiner Beraterkollegen vorgestellt, die die Betroffenen im weiteren Prozess begleiten und unterstützen sollten.

Zwei Tage nach der Betriebsversammlung wurden die Führungskräfte, die die Mitarbeitergespräche führen sollten, in einem halbtägigen Training auf diese Aufgabe vorbereitet. Danach führten die Führungskräfte die entsprechenden Gespräche

  • mit den Mitarbeitern, die das Unternehmen auf alle Fälle als Arbeitnehmer behalten wollte und
  • mit den Mitarbeitern, die es für das angebotene Freiwilligenprogramm gewinnen wollte.

Nach Ablauf einer gesetzten Frist von drei Wochen hatten zwar 19 Mitarbeitende für sich entschieden: Wir trennen uns mit einer Abfindung im gemeinsamen Einvernehmen vom Unternehmen. Ihre Zahl genügte aber nicht, um die angestrebte Personalreduktion um 48 Mitarbeitende zu erreichen. Also starteten nun die offiziellen Kündigungsgespräche, in denen die betriebsbedingten Trennungen besprochen wurden. Diese Gespräche wurden mit den Betroffenen stets von der jeweiligen Führungskraft und dem Personalleiter geführt.

In den Gesprächen war laut Aussagen von Thomas Fischer wichtig, „die Trennungsbotschaft klar zu vermitteln, jedoch zugleich im Umgang mit den Betroffenen fair und wertschätzend zu bleiben“.

Betont wurde deshalb stets, dass die Trennung nichts mit der betreffenden Person und ihrer Leistung zu tun habe, sondern betriebsbedingt sei und auf Basis einer mit dem Betriebsrat verhandelten Sozialauswahl erfolge.

Außerdem artikulierten die Führungskraft und der Personalleiter in den Gesprächen ihr Mitgefühl und sagten den Betroffenen nicht nur ihre persönliche, sondern auch eine Unterstützung des Unternehmens beim Aufbau einer möglichen beruflichen Alternative zu.

Eine neue Perspektive als Betroffener entwickeln

Letztlich entschieden sich alle 29 betriebsbedingt gekündigten Mitarbeitenden an dem vom Unternehmen angebotenen Newplacement-Prozess teilzunehmen. Also trafen sich Thomas Fischer und seine beiden Kollegen mit ihnen, um mit ihnen mögliche neue berufliche persönliche Perspektiven zu erarbeiten. In den Gesprächen vermittelte Fischer ihnen auch:

Ihr seid alle keine Berufseinsteiger. Ihr habt alle jahrelange Berufserfahrung. Deshalb könnt ihr in Unternehmen wichtiges Know-how einbringen.

Anschließend fanden für alle Gekündigten in Kleingruppen Bewerbertrainings statt. In ihnen entwickelten sie für sich eine berufliche Perspektive:

  • Suche ich mir eine neue Stelle, gehe ich in den vorgezogenen Ruhestand oder mache ich mich selbstständig?
  • Steige ich beruflich gleich wieder voll ein oder nutze ich die Situation, um mich weiterzubilden?

In den Trainings ermittelten die Teilnehmer auch, welche „Stärken“ sie als Bewerber in die Waagschale werfen können. Außerdem analysierten sie, bei welchen Unternehmen Bewerbungen Erfolg versprechend wären. Danach erstellten sie ihre Bewerberprofile und -mappen.

Gekündigte Mitarbeiter unterschätzen oft ihre Kompetenz

Nach den Trainings traf sich jeder Stellensuchende mit einem der externen Berater, um der persönlichen Bewerbungsmappe und -strategie den letzten Schliff zu geben. Dies war nötig, weil sich die meisten Teilnehmer seit Jahren nicht mehr beworben hatten. Entsprechend unsicher waren sie oft bezüglich des Vorgehens. Zudem waren ihnen häufig Fähigkeiten nicht bewusst, die ihnen Pluspunkte bringen, sofern sie sich beim richtigen Unternehmen bewerben. Fischer nennt hierfür ein Beispiel: „Ein Unternehmen mit etwa 200 Mitarbeitern hat eine andere Arbeitsstruktur und -kultur als ein Konzern. In ihm haben die Mitarbeiter meist nicht nur ein breiteres Aufgabenfeld, sie müssen auch öfter improvisieren.“ In einem solchen Umfeld erfolgreich gearbeitet zu haben, kann beim Bewerben ein Plus sein.

So vorbereitet bewarben sich die gekündigten Mitarbeiter. Durch dieses gezielte Vorgehen hatten 15 der 29 entlassenen Mitarbeiter bis zum Jahresende, also vier Monate nach den Bewerbungstrainings schon wieder eine neue Stelle. Fünf weitere hatten entschieden, sich selbstständig zu machen und vier, eine längerfristige Weiterbildung bzw. Umschulung zu machen. Also hatte nur noch etwa jeder sechste entlassene Mitarbeitende keine neue berufliche Perspektive – „auch, weil zur Zeit viele Unternehmen qualifizierte Fach- und Führungskräfte händeringend suchen“, gesteht Fischer.

Das Vertrauen der „Survivor“ nicht verlieren

Über diese positive Entwicklung informierte der Geschäftsführer des Unternehmens im Januar 2023 die verbliebenen Mitarbeiter, die sogenannten „Survivor“, in einer Kick-Off-Veranstaltung, die die Phase des Neustarts in dem gesundgeschrumpften Unternehmen einläutete.

Dies stärkte die Identifikation der verbliebenen Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber, weil sie spürten: Das Schicksal unserer Ex-Kollegen – und damit sicher auch unseres – ist unseren Chefs nicht egal.

Ein solches Signal an die „Survivor“ zu senden, ist wichtig. Nicht nur, weil dies ein Ausdruck der Wertschätzung für die Ex-Mitarbeiter ist. Hinzu kommt: Die verbleibenden Mitarbeitenden beobachten und registrieren sehr genau, wie der Betrieb mit ihren bisherigen Kollegen umgeht. Hieraus leiten sie wiederum ab, welches „Schicksal“ ihnen künftig eventuell droht. Deshalb führt ein Personalabbau- und Trennungsprozess, der von ihnen als nicht fair empfunden wird, oft zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust bei den verbleibenden Mitarbeitenden.

 

Über die Person

Silas Koch, Darmstadt, arbeitet u. a. als Fachjournalist. Er ist auf IT- und Managementthemen spezialisiert.

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