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Kolumne Lutz Altmann und Stefan Schulz Das Arbeitsmodell Home Office – Zukunftsmodell oder gescheitertes Experiment?

Top-Management zieht die Reißleine – Ist die Geduld mit dem Home Office aufgebraucht?
Die anfängliche Begeisterung weicht zunehmend Skepsis. Unternehmen verschiedenster Branchen – von Automotive über Finance bis hin zur Tech-Industrie – überprüfen ihre Remote-Strategien. Was ich aus zahlreichen Führungsgesprächen höre, klingt oft gleich: „So funktioniert das auf Dauer nicht.“
Die Gründe? Sinkende Präsenz im Alltag, ein Rückgang an Innovationsdynamik – und eine spürbare Entfremdung von der eigenen Unternehmenskultur. Der Preis: Weniger Zusammenhalt, schwindender Teamgeist, ausbleibende Impulse.
Home Office oder Kündigung – was ist uns die neue Freiheit wert?
Inzwischen ist das Arbeiten von zu Hause für viele mehr als nur ein Arbeitsmodell – es ist zur Lebensgrundlage geworden. Tagesabläufe, Familienlogistik, Freizeitaktivitäten: alles fein austariert um die neue Flexibilität herum.
Die Rückkehr ins Büro? Für manche Eltern ein organisatorischer Albtraum. Musikunterricht, Fußballtraining, Yoga am Abend – all das gerät ins Wanken, wenn der Arbeitsweg wieder zur täglichen Realität wird.
Die Folge: Kündigung – nicht aus Trotz, sondern aus purer Notwendigkeit. Was wir verlieren, ist nicht nur eine Arbeitskraft, sondern wertvolle Mitarbeiterbindung. Und Unternehmen? Die geraten zunehmend unter Druck.
Pendelzeit? Jetzt bitte auch noch vergüten!
Was früher niemand infrage stellte, wird heute zur Verhandlungsmasse: der Weg zur Arbeit.
Ein Bewerber sagte mir kürzlich ernsthaft: „Ich schenke meinem Arbeitgeber keine Stunde meines Lebens im Auto.“ – Ein Satz, der nachhallt. Denn er zeigt, wie stark sich unsere Arbeitskultur verschoben hat: von Loyalität und Leistung hin zu maximaler Selbstoptimierung. Was einst als Teil des Berufslebens akzeptiert war, wird heute als unzumutbare Zumutung empfunden. Ein Spiegelbild eines tieferliegenden Wertewandels?
Es scheint, als hätte sich in manchem Kopf ein fataler Perspektivwechsel vollzogen:
Arbeit hat sich dem Privatleben unterzuordnen – nicht umgekehrt.
Und der soziale Austausch mit Kolleginnen und Kollegen in der Mittagspause? Früher wertvoll, heute eine ineffiziente Störung im perfekt getakteten Individualprogramm.

Home Office: Produktivitäts-Booster oder gepflegter Selbstbetrug?
Natürlich arbeiten wir im Home Office alle hochkonzentriert – direkt nach dem zweiten Kaffee. Und dem schnellen Supermarktbesuch. Und der kleinen Gassi-Runde, „weil der Hund ja sonst leidet“.
Mal ehrlich: Wer kontrolliert schon, wie lang die Mittagspause wirklich dauert, wenn niemand über die Schulter schaut?
Was als Fortschritt gefeiert wurde, verkommt zunehmend zum Freifahrtschein für gepflegte Mittelmäßigkeit.
Und wir wundern uns, warum Unternehmen wieder mehr Präsenz fordern?
Multitasking – der stille Killer unserer Leistungsfähigkeit
Während du im Meeting sitzt und parallel die Waschmaschine piept, geht in deinem Unternehmen gerade etwas verloren: Fokus, Qualität – und am Ende auch Wertschöpfung.
Wir reden uns gerne ein, alles gleichzeitig im Griff zu haben. Doch in Wahrheit springen wir wie ferngesteuert zwischen To-do-Listen und Privaterledigungen – und merken gar nicht, wie unsere Leistung verwässert.
Studien zeigen: Jeder Kontextwechsel frisst bis zu 20 Minuten echter Konzentration. Wer ständig zwischen Arbeitsauftrag und Alltagskram pendelt, arbeitet effektiv nie richtig – sondern bleibt im mentalen Leerlauf hängen.
Und genau das kostet. Nicht dich, sondern dein Unternehmen. Jeden Tag. In Summe Milliarden.
Wenn du dich fragst, warum Projekte langsamer laufen, Innovation ausbleibt und Stimmung kippt – schau nicht nur auf deinen Kalender. Schau in den Spiegel.
Büro: Der unterschätzte Ort für alles, was uns als Team stark macht
Zwischen Flurgespräch und Kaffeeküche entsteht das, was keine Videokonferenz liefern kann: Vertrauen, Energie, Ideen.
Das Büro ist mehr als ein Arbeitsplatz – es ist der Resonanzraum für Zusammenarbeit, Dynamik und Wir-Gefühl.
Und: Es ist der einzige Ort, an dem Arbeit wieder klar Arbeit sein darf. Keine Einkaufsliste, kein Paketbote, kein Kinderchaos.
Im Büro findet etwas statt, das im Homeoffice zunehmend verloren geht: echte Fokusarbeit. Keine Störung, kein Multitasking, sondern konzentriertes, zielgerichtetes Arbeiten.
Immer mehr Unternehmen ziehen daraus Konsequenzen: Erste Firmen verbieten inzwischen private Smartphones am Arbeitsplatz – nicht aus Misstrauen, sondern weil sie wissen, wie sehr ständige Ablenkung die Produktivität frisst.
Und jetzt frag dich ehrlich: Wie oft greifst du im Home Office zum Handy – einfach nur, weil es niemand merkt?
Vielleicht geht es bei der Rückkehr ins Büro gar nicht nur um Leistung, sondern um etwas viel Grundsätzlicheres: Um das Wiederentdecken dessen, was uns als Organisation überhaupt zusammenhält.

Effizient, aber ideenlos – ersticken wir unsere Innovationskraft im Home Office?
To-dos werden fleißig abgehakt. Mails beantwortet, Tickets bearbeitet, Deadlines gehalten. Klingt nach Produktivität – aber wo bleiben die Durchbrüche?
Immer mehr Unternehmen stellen fest: Die Effizienz im Home Office mag stimmen, doch der kreative Funke bleibt aus.
Ein Satz, der mir besonders im Ohr geblieben ist: „Unsere Entwickler liefern sauber ab – aber die nächste große Idee? Die fehlt.“
Innovation entsteht eben nicht im stillen Kämmerlein – sondern im lebendigen Miteinander, im Widerspruch, im Unerwarteten. Genau das lässt sich nicht in Zoom-Räumen simulieren.
Wo früher Ideen blühten, wächst heute Staub
Die Realität zeigt sich nicht in Statistiken – sondern in Bildern wie diesen:
Ein leerer Schreibtisch. Ein Whiteboard mit der Aufschrift „New Ideas“ – darunter: nichts. Nur Staub.
Die Blume daneben ist längst verwelkt. Und mit ihr die kreative Energie, die diesen Raum einst lebendig gemacht hat.
Das Büro wirkt wie eingefroren. Stühle zurückgeschoben, Lichter gedimmt – als hätte hier seit Tagen niemand mehr wirklich gedacht.
Effizienz lässt sich in Tabellen messen – Innovation nicht. Und genau die fehlt, wenn jeder für sich allein in seiner Blase funktioniert. Vielleicht sind wir effizienter geworden – aber eben auch stiller, mutloser, fantasieloser.
Freiheit feiern – Verantwortung verweigern?
Manche genießen den neuen Arbeitskomfort, als hätten sie sich den Wohlstand selbst programmiert: Gleitzeit, Home Office, Flex Desks – alles soll sich bitte um die eigenen Bedürfnisse drehen.
Aber wehe, es wird Leistung gefordert.
In Gesprächen mit Führungskräften höre ich immer häufiger einen stillen Frust: „Wir haben so viel ermöglicht – aber der Einsatz schwindet.“ Verlässlichkeit wird zur Ausnahme, Engagement zur Verhandlungssache.
Flexibilität wird mit einem Anspruchsdenken verwechselt, das jede Form von Gegenleistung wie einen Affront behandelt.
Haben wir vergessen, dass diese Freiheiten auf etwas basieren – nämlich auf Vertrauen, Verantwortung und dem wirtschaftlichen Rückgrat eines Unternehmens?
Wer nur nimmt und nichts gibt, sägt am Ast, auf dem wir alle sitzen – oder anders gesagt: Wer sich dauerhaft der Verantwortung entzieht, schwächt das Fundament unseres wirtschaftlichen und sozialen Miteinanders.
Freiheit ohne das Gegenstück – Verantwortung übernehmen – funktioniert auf Dauer nicht.
Zurück ins Büro – nicht, um zu kontrollieren. Sondern, um nicht den Anschluss zu verlieren.
Ich bin im Home Office produktiver.“
Diesen Satz hört man inzwischen fast reflexhaft.
Aber ist er nicht auch bequem?
Denn wahre Produktivität misst sich nicht daran, wie schnell jemand seine To-dos abhakt – sondern daran, was entsteht, wenn Menschen gemeinsam denken, streiten, lachen, scheitern, weitermachen.
Ein Unternehmen ist keine Sammlung autonomer Einzelkämpfer mit stabilem WLAN. Es ist ein lebender Organismus, der nur dann atmet, wenn Menschen sich begegnen. Auch in hybriden Arbeitsmodellen.
Wenn wir weiter auf Distanz bleiben, verlieren wir nicht nur Effizienz – wir verlieren einander.
Wir stehen an einem Wendepunkt
Die Arbeitswelt hat sich in kurzer Zeit radikal verändert – durch Digitalisierung, New Work und neue Ansprüche an Flexibilität. Doch mit der Freiheit muss auch Verantwortung wachsen.
Homeoffice war ein wichtiges Kapitel in dieser Entwicklung. Doch vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, Bilanz zu ziehen:
Was hat uns stärker gemacht – und was schwächer?
Was fördert echtes Miteinander – und was vereinzelt uns?
Denn am Ende geht es nicht nur darum, wo wir arbeiten. Sondern wie wir als Team funktionieren – und ob wir bereit sind, unseren Teil beizutragen.
Über die Personen
Lutz Altmann ist Geschäftsführer bei Karriereweg. Er verfügtber 20 Jahre Erfahrung in der Personalberatung inklusive sieben Jahre als Interim Recruitment Manager. Mit dem Fokus auf strategische und nachhaltige Vermittlung von Fach- und Führungskräften – ob Fractional, Interim oder Permanent – unterstützt Karriereweg Unternehmen dabei, die Herausforderungen des modernen Arbeitsmarkts durch klare, wirtschaftlich fundierte Lösungen zu meistern.
Stefan Schulz ist Geschäftsführer bei Karriereweg. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung im Management inklusive neun Jahre Erfahrung in der Personalberatung. Mit dem Fokus auf strategische und nachhaltige Vermittlung von Fach- und Führungskräften – ob Fractional, Interim oder Permanent – unterstützt Karriereweg Unternehmen dabei, die Herausforderungen des modernen Arbeitsmarkts durch klare, wirtschaftlich fundierte Lösungen zu meistern.
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